Spielzeitheft 2012/2013 - Theater Marburg
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aus DeR MiTTe DeR gesellschaFT –<br />
eiN spRachKoNzeRT<br />
von Marc Becker (*1969)<br />
premiere: 01. september <strong>2012</strong>, Bühne<br />
Regie: Marc Wortel<br />
Im Fernsehen haben sie heute gesagt: Es wird nicht besser. Es wird vielmehr immer schlimmer<br />
werden. Wirtschaft, Arbeitsplätze und alles. Harte Jahre liegen vor uns. Dankeschön. Plötzlich<br />
haben die gemerkt, dass das Ganze ein Irrtum ist. Die Sendung war von vor acht Jahren. Na,<br />
habe ich gedacht, na, dann ist doch alles gut. Dann kam die aktuelle Sendung. Es wurde berichtet:<br />
Es wird nicht besser. Es wird vielmehr immer schlimmer werden. Wirtschaft, Arbeitsplätze<br />
und alles. Harte Jahre liegen vor uns. (Aus der Mitte der Gesellschaft)<br />
Sie sind viele. Sie sind gut ausgebildet, haben 1,37 Kinder und kleiden sich durchschnittlich. Sie<br />
sind engagiert, aber zynisch, sie sind satt, aber unzufrieden und leben wohlhabend auf Kredit.<br />
Sie schreiben Einkaufszettel: Joghurt, Saft/Tomaten, aber nicht aus Holland/Wein, Bier/Und eine gute<br />
Perspektive. Das ist sie also – die Mitte der Gesellschaft. Doch woher kommt all die Frustration<br />
und warum ist es eigentlich so schwierig, glücklich zu sein? Oder liegt Zufriedenheit gar nicht<br />
im Wesen des Menschen? Ist Nächstenliebe eine Fehlfunktion im Gehirn? Und wohin sind eigentlich<br />
die Ideale verschwunden? Was ist mit dem gesellschaftlichen Wandel? Müsste sich<br />
da nicht mal jemand drum kümmern?<br />
Stimmen treten heraus aus der Mitte der Gesellschaft, werden zum Sprachrohr für so viele,<br />
stellen Fragen und verschwinden dann wieder dorthin, wo sie herkamen, in eine undefinierbare<br />
Mitte. Der kurze Moment der Individuation und Reflexion steht stellvertretend für eine ganze<br />
Generation der Suchenden nach dem richtigen Leben. Und immer wieder ist da diese Angst, die<br />
Angst vor der schleichenden Normalität. Bloß nicht unter den Durchschnitt fallen, den Standard<br />
halten und am besten noch etwas daraufsetzen. Ein Leben ohne Auto oder Computer – unvorstellbar!<br />
Es gilt immer up-to-date zu sein, sich ständig zu aktualisieren, sich neu zu erfinden.<br />
»Aus der Mitte der Gesellschaft« ist eine sprachgewaltige Reflexion über die deutsche Mittelschicht<br />
der 2010er Jahre. Absurd-poetisch werden das Selbstverständnis und die Zukunft der<br />
größten Gesellschaftsschicht hinterfragt.<br />
autor<br />
Marc Becker begann bereits während seines<br />
Studiums der <strong>Theater</strong>wissenschaft zu inszenieren<br />
und zu schreiben, u.a. die Szenenfolge<br />
»US AMOK«. 2004 wurde er für seine<br />
Macbeth-Inszenierung am <strong>Theater</strong> Erlangen<br />
bei den Bayerischen <strong>Theater</strong>tagen ausgezeichnet.<br />
Im selben Jahr wurde sein Fußballkrimi<br />
»Wir im Finale« zu den Mülheimer<br />
<strong>Theater</strong>tagen eingeladen, sein Stück<br />
»Margot und Hannelore« erhielt den<br />
Impulse-Preis. Seither sind gut ein Dutzend<br />
weitere <strong>Theater</strong>stücke entstanden, die Marc<br />
Becker zum Teil auch selbst inszeniert, wie<br />
beispielsweise die Uraufführung von »Aus<br />
der Mitte der Gesellschaft« 2011 am Oldenburgischen<br />
Staatstheater. Marc Becker<br />
schreibt und inszeniert u.a. in Heidelberg,<br />
Groningen und Oldenburg, wo er Hausregisseur<br />
und -autor ist.