Spielzeitheft 2012/2013 - Theater Marburg
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coNaN DeR BaRBaR<br />
eine Mixed-Media performance von sKaRT<br />
gastspiel: herbst <strong>2012</strong>, Black Box<br />
Man muss sich Conan als traurigen Menschen vorstellen, sagt das Gießener Künstlerduo SKART<br />
über den schwertgewaltigen Helden aus Cimmeria. In ihrer Mixed-Media Performance verdichten<br />
sie Reminiszenzen an den 80er Jahre-Film von John Milius mit Videos, Soundscapes, Texten<br />
und Live-Musik zu einer heiter-bizarren Collage über das barbarische Alltagsleben des<br />
21. Jahrhunderts.<br />
Die Figur des Filmhelden Conan, herabgestiegen aus den verschneiten Wäldern des Nordens,<br />
ist für Mark Schröppel und Philipp Karau das Paradebild des isolierten, verunsicherten, vom<br />
kapitalistischen Winter glitzernd weiß bedeckten Individuums. In seiner Geschichte sind Überforderung,<br />
Größenwahn, Zwang, Eskapismus, Versagen und Hoffnung in ebenso wahnwitziger<br />
Weise angelegt, wie sie im real existierenden Alltag des (jungen) Durchschnittsdeutschen wiederzufinden<br />
sind. Der Film ist somit weit mehr als nur der trashige Referenzpunkt einer 80er<br />
Jahre-Nostalgie (vor der das jüngste Remake zwangsweise verblassen muss). Er wird zum bizarren<br />
Zerrspiegel der Welt, der wir allesamt entsprungen sind. Conan, der Entwurzelte, ist<br />
das schizophrene Gleichnis des Stücks. Er ist ein sinnlicher Einzelkämpfer, ein reflektierter<br />
Stumpfsinniger, ein strukturabhängiger Hedonist. Er ist so mitleidlos wie einfühlsam, er ist<br />
Opfer und Täter zugleich.<br />
SKART verwenden die Handlungselemente der Conan-Filme durchaus als Blaupause für die abstrakte<br />
Rahmenhandlung ihres Stücks, doch in erster Linie dienen ihnen der Barbar und seine<br />
Abenteuer als Projektionsflächen ihrer ganz eigenen Zeitgeistanalyse. Conan wird so in den<br />
Händen von SKART zu einer Metapher, einem Abziehbild des westlichen Menschen. Seine Reise<br />
durch soziale, wirtschaftliche und psychologische Konstrukte wird zu einer intimen, gebrochen<br />
illusionären Revueshow, die den Betrachter auf seine ganz eigene Interpretationsweise zurückwirft.<br />
In Eigenregie entstandene Videos, Soundscapes, Texte, Bühnenbilder und Kostüme werden<br />
zu einer collagierten Masse verdichtet. O-Töne, selbstgebaute Instrumente und Maschinen<br />
werden zusammen mit live gespielter Musik bewusst einer ebenso kruden wie poetischen<br />
Handhabung unterzogen, die es sich zum Ziel setzt, die ästhetischen Wahrnehmungsgewohnheiten<br />
der Betrachter zu hinterfragen.<br />
sKaRT<br />
sind Philipp Karau (*1982) und Mark Schröppel<br />
(*1983), die zusammen Angewandte<br />
<strong>Theater</strong>wissenschaft an der Universität<br />
Gießen studierten und sich dort 2006 zu<br />
»Schröppel Karau Art Repetition Technologies«<br />
zusammenschlossen.<br />
Beide arbeiten auch in anderen Kontexten als<br />
Performance- und Videokünstler bzw. als DJ.<br />
Ihre Arbeit »Solidarität ist die Zärtlichkeit der<br />
Völker« war <strong>2012</strong> u.a. in Mülheim an der Ruhr<br />
und am Thalia <strong>Theater</strong> Hamburg zu sehen.