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Spielzeitheft 2012/2013 - Theater Marburg

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25<br />

FaTzeR<br />

von Bertolt Brecht (1898–1956)<br />

&<br />

DeR auFTRag<br />

von heiner Müller (1929–1995)<br />

premiere: 16. Februar <strong>2013</strong>, Black Box<br />

Regie: stephan suschke<br />

Ein Kurzdrama und ein Fragment fügt Stephan Suschke in dieser Produktion zu einer drängenden<br />

Frage zusammen: Was schuldet der Einzelne der Gemeinschaft?<br />

Ein Schlachtfeld. Mondlandschaft. Wir hören auf, steht da handgeschrieben auf einem Panzer.<br />

Die vier Männer der Besatzung sind desertiert. Alle Hoffnungen ruhen nun auf ihrem Anführer:<br />

Fatzer. Aber Fatzer ist ein Schädling. Dass er sich nimmt, was er von ihnen braucht, stört sie<br />

nicht. Aber er darf nicht verweigern, was sie von ihm brauchen.<br />

Szenenwechsel: ein Gefängnis auf Jamaika. Der Bürger Galloudec, unterwegs in geheimem Auftrag<br />

einer Revolution, die es schon längst nicht mehr gibt, liegt im Sterben. Vor seinen Augen erscheinen<br />

die Gefährten: Sasportas, der gehängt worden ist. Und Debuisson, der sie verraten hat.<br />

Die Möglichkeit einer anderen Welt spielerisch ergründen<br />

Zwei Fragen an Stephan Suschke<br />

Die Utopie ist der Traum des Begriffs: Der Utopie liegt immer eine gesellschaftliche Abstraktion,<br />

ein Kollektiv zugrunde, und dieses wird im Gegenzug von der Utopie erst konstruiert. Haben<br />

die Begriffe aber nicht längst ausgedient? Gibt es statt der Kollektive nicht nur noch atomisierte<br />

Individuen?<br />

S.S.: Es gibt eine Formulierung von Hanns Eisler: Wenn den Arbeitern die Hummersuppe zu<br />

den Ohren rauskommt, werden sie wieder über den Sozialismus nachdenken. Abgesehen davon,<br />

dass der Sozialismus als Begriff für lange Zeit diskreditiert ist – leider zu Recht – finde<br />

ich, dass es die vornehmste Aufgabe des <strong>Theater</strong>s ist, darüber nachzudenken, wie andere Formen<br />

des Zusammenlebens aussehen könnten und dies spielerisch zu ergründen. Auch wenn<br />

wir ›negative‹ Vorlagen liefern, wird dahinter die Sehnsucht nach einer anderen Welt deutlich,<br />

muss deutlich werden. So wie sie ist, ist die Welt nicht gut. Es ist, als hätte es 2000 Jahre<br />

Kultur nicht gegeben, als hätten wir vergessen, was die Losung der Französischen Revolution<br />

war. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: eine uneingelöste Forderung in dieser noch immer<br />

nicht bürgerlichen Welt.<br />

Welche Parallelen, welche Unterschiede gibt es zwischen »Der Auftrag« und »Fatzer«?<br />

S.S.: Sie sind aus sehr unterschiedlichen Erfahrungen heraus geschrieben; der Abstand beträgt<br />

etwa ein halbes Jahrhundert. Trotz 30 Jahren real existierenden Sozialismus’ hatte Müller die<br />

Ahnung, dass dieser Versuch, eine Alternative zum Kapitalismus zu schaffen, scheitert. Deshalb<br />

greift er zurück auf die Zeit nach der Französischen Revolution, was ein ähnlicher Nullpunkt<br />

von Geschichte ist wie das Ende des 1. Weltkrieges, das Brecht beschreibt. Beide Texte<br />

haben eine gewisse Offenheit der Form. Man hat wie in einem Lego-Baukasten ganz viele Teile,<br />

aus denen man sich sein eigenes Stück zusammenbasteln kann. Auch als Zuschauer. »Der Auftrag«<br />

ist ein fertiges ›Stück‹, »Fatzer« wird es erst durch die Inszenierung. Die Themen hören<br />

nicht auf, wichtig zu sein, solange es Ausbeutung, Sexualität und Tod gibt. Ich vermute, das<br />

dauert noch ein bisschen.

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