Spielzeitheft 2012/2013 - Theater Marburg
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»Wenn man mit einigem Fug sagen könnte, dass Sie<br />
Hoffnungen und Ängste haben, würden Sie sagen,<br />
19<br />
MeDea<br />
nach euripides (485–406 v. chr.)<br />
premiere: 24. November <strong>2012</strong>, Bühne<br />
Regie: andré Rößler<br />
Medea ist die Frau, die so sehr liebt, dass ihre Leidenschaft sie zur Mörderin werden lässt; die<br />
Frau, die die Geliebte ihres Mannes und die eigenen Kinder tötet. Sie begehrt auf gegen die<br />
patriarchale Gesellschaft, gegen das Leben fernab der Heimat und die Verachtung, die sie als<br />
Fremde in Korinth erfährt.<br />
Für Jason hat sie alles aufgegeben. Ihre Heimat Kolchis und ihre Familie hat sie verlassen,<br />
sogar den eigenen Bruder hat sie getötet, um das Goldene Vlies für Jason zu gewinnen. In<br />
Korinth wollten sie gemeinsam neu anfangen. Doch Jason verstößt Medea, um die Königstochter<br />
Kreusa zu heiraten. Verletzt und in ihrer Ehre gekränkt sinnt Medea auf Rache. Sie plant das<br />
Ungeheuerliche und nimmt Jason das, was ihm am Wichtigsten ist: Kreusa, die Königstochter,<br />
die er liebt und durch deren Heirat ihm die Herrschaft über Korinth zufallen würde, sowie die<br />
gemeinsamen Kinder, die Medea kaltblütig ermordet.<br />
»Medea« ist ein Drama über Kränkung und Verrat und die daraus erwachsende Rache. Bereits<br />
Euripides hinterfragt Recht und Unrecht, Autonomie und Abhängigkeit in der Beziehungskonstellation<br />
von Medea und Jason, die metaphorisch für das Verhältnis zwischen dem Einzelnen<br />
und der Gesellschaft sowie für Chaos und Ordnung steht. Wie jeder antike Mythos weist der Medea-Stoff<br />
eine beeindruckende Anzahl von Bearbeitungen auf, an die dreihundert sind bekannt.<br />
Sie ergänzen und schmücken den Mythos neu aus, fokussieren unterschiedliche Aspekte und<br />
interpretieren »Medea« damit immer auch in Anlehnung oder Abgrenzung zur Gegenwart. André<br />
Rößler wird den Stoff auf sein neuzeitliches Sinnstiftungspotenzial hin untersuchen.<br />
Auf der Homepage von Susanne Kleinhenz, Autorin u.a. von »Das 21. Jahrhundert ist weiblich«<br />
und »Der Mann im weiblichen Jahrhundert«, findet sich das Quiz »Welcher Mythentyp sind<br />
Sie«, in dem man anhand eines Fragebogens einem mythologischen Charakter zugeordnet<br />
wird. Auch hier findet Medea Eingang ins 21. Jahrhundert:<br />
Die moderne Medea ist eine Frau, die mit höchster Kraft und Willensstärke, analytischem Verstand und<br />
absoluter Kompromisslosigkeit ausgestattet ist. Sie erscheint sehr viel leidenschaftlicher als mitfühlend.<br />
Sie ist egozentriert aber umgänglich, solange fair mit ihr umgegangen wird – aber hüte sich vor ihr, wer<br />
sie betrügt. Sie wird alles mit gleicher Münze heimzahlen. Sie hat sehr starke und sehr männliche Energien.<br />
Sie ist unbeirrbar, fragt nicht viel, sondern handelt schnell, klar und mutig. Sie ist die Unternehmerin,<br />
die weiß, was sie kann und was sie wert ist. Sie hat vermutlich einen strengen Vater, der ihr früh gezeigt<br />
hat, dass das weiche, schwache weibliche Element eher gefährlich ist in einer von Männern beherrschten<br />
Welt. Sie bildet sich gut aus, schließt Kooperationen mit Menschen, die ihr weiter helfen und vernichtet<br />
diejenigen, die ihr schaden wollen.