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NZB 05/2013

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ärztlicher Arroganz, die im Patienten<br />

den Menschen übersieht“ (Pellegrino).<br />

Intellektuelle Tugenden<br />

Sie betreffen das berufliche Tun und<br />

die Kunst des Berufs. Sie sind keine<br />

moralischen Tugenden, sondern die<br />

Tugenden des „spekulativen Intellekts<br />

zur Erfassung von Wahrheit“ (vgl. Pellegrino).<br />

Für Kliniker sind die intellektuellen<br />

Tugenden insgesamt wichtig<br />

für die Qualität der auf das Gute<br />

gerichteten Behandlungsmaßnahmen.<br />

Hierzu gehören die Wissenschaft, die<br />

Kunst und die Klugheit.<br />

Trotz einer „gewissen Bedeutungsverschiebung<br />

seit Aristoteles ist mit<br />

Wissenschaft als Tugend die Fähigkeit<br />

des induktiven, schlussfolgernden<br />

Denkens“ gemeint (Pellegrino).<br />

Kunst ist die auf das Herstellen<br />

gerichtete Vernunft, die Kunst des<br />

Hervorbringens, die kunstfertige<br />

Produktion.<br />

Klugheit ist das Vermögen, sich für<br />

das Tun zu entscheiden, welches das<br />

Leben gut und glücklich macht. Im<br />

klinischen Betrieb ist die Klugheit die<br />

zentrale intellektuelle Tugend. Sie ist<br />

das Bindeglied zwischen den intellektuellen<br />

und moralischen Tugenden<br />

und dem Bekenntnisakt. Die Klugheit<br />

befähigt den Praktiker, klinische Daten,<br />

Diagnosen und Prognosen zu erheben,<br />

zu therapieren, und das Besondere<br />

jeden Falles auf seine moralischen<br />

Implikationen abzuklopfen sowie eine<br />

dementsprechende Rangordnung unter<br />

konfligierenden Gütern aufzustellen.<br />

Einwände zur Tugendethik<br />

Pellegrino selbst führt Argumente von<br />

Gegnern seiner tugendethischen Konzeption<br />

an. So gibt es verpflichtende<br />

Berufsethiken, welche weder eine<br />

Verbindung zur Tugendlehre, noch zu<br />

Zielen oder Zwecken ausweisen.<br />

Zeitgenössische Ethiker betrachten<br />

die Tugenden als überflüssig und<br />

als unberechtigte Überforderung des<br />

Arztes, dessen Belastung durch die<br />

bereits übernommen Pflichten für<br />

gewöhnlich überschritten sei. Andere<br />

bezweifeln die wirkliche Bedeutung<br />

ärztlicher Gelöbnisse, denn es gehöre<br />

einfach zur Jobbeschreibung des<br />

Arztes, im besten Interesse des Patienten<br />

zu handeln. Zudem wird angeführt,<br />

die vorgetragenen Überlegungen seien<br />

unter den Bedingungen des „real<br />

existierenden Gesundheitswesens“<br />

zu idealistisch und kaum realisierbar;<br />

man könne nicht tugendhaft sein,<br />

wenn alle anderen es nicht sind.<br />

(Letzt geäußerte Haltung – z.B. „…<br />

wenn ich es nicht mache, tut es ein<br />

anderer …“ – mündet zwangsläufig<br />

in eine Art Fatalismus, welcher einen<br />

moralischen Unterbau respektive<br />

ethische Reflexion ärztlichen Handelns<br />

weitgehend vermissen lässt.)<br />

Pellegrino hält dem jedoch entgegen,<br />

dass „der Charakter des Arztes der<br />

Filter ist, durch den die moralischen<br />

Entscheidungen über die Behandlung<br />

eines Patienten hindurch müssen“. Es<br />

stellt daher weder eine Überforderung<br />

dar, noch ist es aus selbstsüchtigem<br />

Eigeninteresse abzulehnen, sich die<br />

Wirklichkeit der Arzt-Patienten-Beziehung<br />

bewusst zu machen und die<br />

mit dem beruflichen Bekenntnisakt<br />

vorgenommene Tugendverpflichtung<br />

anzuerkennen.<br />

Praxisrelevanz<br />

Wie eingangs ausgeführt, sollte das<br />

Ziel unserer beruflichen Tätigkeit sich<br />

im Erreichen des für den Patienten<br />

Guten definieren; und das unserem<br />

Beruf inhärente Gut ist Heilen. Hierauf<br />

haben wir uns qua Profession öffentlich<br />

bekannt und verpflichtet; und wir<br />

bekennen uns täglich dazu in dem<br />

Moment, da wir zu unseren Patienten<br />

in Beziehung treten. Patienten müssen<br />

daher davon ausgehen und darauf<br />

vertrauen dürfen, dass wir deren Heilung<br />

um ihrer selbst willen anstreben,<br />

und nicht wegen externer Güter, die<br />

damit auch verwirklicht werden mögen,<br />

wie Verdienst, Selbstzufriedenheit,<br />

Prestige oder Macht.<br />

Beispiele von Über- als auch Unterversorgung<br />

lassen Motivlagen vermuten,<br />

welche eher das Erreichen externer <br />

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