Chronik - TV Neheim
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Die Deutsche Turnerschaft muss sich<br />
vorwerfen lassen, mit mehr oder weniger<br />
fliegenden Fahnen dem<br />
nationalsozialistischen Wahn verfallen zu<br />
sein. Es wäre ehrenvoller gewesen, die<br />
Organisation damals vollständig aufzulösen.<br />
Bereits im Herbst 1945 wurden die<br />
Strukturen des Nachkriegssports bestimmt.<br />
Die oft zitierte Kontrollratsdirektive Nr. 23<br />
vom Dezember 1945 verfügte generell die<br />
Demilitarisierung, Dezentralisierung und<br />
Demokratisierung des Sports, was im<br />
einzelnen allerdings von den<br />
Militärbehörden der Besatzungszonen<br />
umgesetzt werden musste. Am<br />
konsequentesten ging man damit in der<br />
französischen Zone um, wo sogar das<br />
Gerätturnen bis zur Gründung der<br />
Bundesrepublik im Jahre 1949 verboten<br />
blieb. Abgesehen von enormem<br />
bürokratischen Aufwand, der zwecks<br />
Entnazifizierung der Turn- und der<br />
Sportvereine- und Verbände betrieben<br />
wurde, verlief der Wiederaufbau des<br />
Sportwesens in der britischen und<br />
amerikanischen Zone weniger schwierig.<br />
Mit der Neu- und Wiedergründung von<br />
Turn- und Sportvereinen, die<br />
weltanschaulich neutral und demokratisch<br />
ausgerichtet waren und bis heute sind, regte<br />
sich auch der Wunsch nach Neuorganisation<br />
der Verbände. Schneller als die Turner<br />
waren die Fußballer. Im September 1945<br />
wurden in Stuttgart die Vorarbeiten<br />
aufgenommen zur Gründung einer<br />
süddeutschen Fußball-Oberliga, die am 04.<br />
November 1945 in ihre erste Saison startete.<br />
An Rhein und Ruhr wurden im Herbst 1945<br />
zunächst nur Freundschaftsspiele<br />
ausgetragen.<br />
Im September 1947 wurde in Northeim der<br />
Deutsche Arbeitsausschuss Turnen (DAT)<br />
gebildet. In ihm waren allerdings nur<br />
Repräsentanten aus 10<br />
Landesorganisationen der britischen und<br />
amerikanischen Zone und aus Berlin<br />
vertreten. Aus der französischen Zone, wo<br />
Turnen noch verboten war, konnte niemand<br />
teilnehmen. Der erste Vorsitzende des DAT<br />
war Eugen Eichhoff, der ein Mann des<br />
Ausgleichs war und vor allem dafür gesorgt<br />
hat, dass bei den Turnern die feindliche<br />
Rivalität zum Arbeitersport begraben wurde.<br />
Fortan öffnete man sich gegenseitig. Mehr<br />
Vereine gründeten sich nun als Turn- und<br />
Sportvereine; den alten Turnvereinen, die<br />
wieder erstanden, wurden neue Abteilungen<br />
für andere Sportarten angegliedert.<br />
1949 wurde ein Deutscher Turntag nach<br />
Frankfurt einberufen, ein Turnerparlament,<br />
das die Bildung einer bundesweiten<br />
Dachorganisation, des Deutschen<br />
Turnerbundes (DTB) beschließen sollte.<br />
Faktisch hatte seit 1947 der DAT diese<br />
Aufgaben wahrgenommen. Obwohl Kanzler<br />
und Präsident der damals noch jungen<br />
Bundesrepublik sich für die Belange der<br />
Turner einsetzten, scheiterte die Gründung<br />
des DTB zu diesem Zeitpunkt an alliierten<br />
Vorbehalten aus Kontrollratszeiten, die<br />
mehr galten als das Grundgesetz. Nach<br />
langen Verhandlungen mit der Hohen<br />
Kommission konnte dann endlich am<br />
02. September 1950 der Deutsche<br />
Turnerbund in Tübingen, das in der<br />
französischen Zone lag, gegründet werden.<br />
Natürlich knüpfte man in den Zeiten des<br />
Neubeginns an die Traditionen der<br />
Deutschen Turnerschaft an, die ohne<br />
Zweifel viel Positives beinhalteten, aber<br />
auch viel deutsch-nationalen und völkischen<br />
Ballast in sich bargen. Der<br />
Arbeitersportbund ATSB wurde nicht neu<br />
gegründet; seine Mitglieder schlossen sich<br />
dem DTB an und sorgten damit auch für<br />
eine gewisse Entideologisierung und<br />
Versachlichung, was dazu beitrug, dass man<br />
das Augenmerk mehr auf Bewegung, Sport,<br />
Spiel und Leibesübungen richten konnte. Es<br />
gab allerdings auch Schwierigkeiten bei der<br />
Integration von vertriebenen Turnern,<br />
insbesondere von solchen aus dem<br />
Sudetenland, für die das Turnen nach wie<br />
vor völkischen Charakter hatte.<br />
Insgesamt ist die Turnbewegung jedoch mit<br />
der Zeit gegangen, hat sich demokratisiert,<br />
hat sich aufgeschlossen und neuen<br />
Herausforderungen gestellt.