Gerechtigkeit Gerechtigkeit
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Die politische Organisation Attikas nach<br />
Kleisthenes mit der Phylen-Verwaltung.<br />
(aus: R. Osborne, Demos, Cambridge<br />
1985, Seite 14)<br />
Um den überregionalen Kontakt der<br />
Bürger dieser unterschiedlichen Regionen<br />
mit ihren höchst unterschiedlichen<br />
Lebensbedingungen zu fördern und<br />
neue politische Solidargemeinschaften<br />
zu bilden, schuf der Politiker Kleisthenes<br />
im späten 6. Jhdt. v. Chr. (auf ihn<br />
gehen auch die „Scherbengerichte“,<br />
griech. ostrakismos zurück; Anm.d.<br />
Red.) neue Organisationseinheiten, die<br />
so genannten Phylen. Diese Phylen<br />
wurden aus jeweils mehreren Gemeinden<br />
der Stadt, des Binnenlandes und<br />
der Küste gebildet.<br />
Gemeinsame Aktivitat<br />
zur politischen Solidarität<br />
Die Phylen waren ein wichtiges Grundelement<br />
der athenischen Verfassung.<br />
Aus dem Kreis der Phylenangehörigen<br />
wurden durch Wahl oder Los politische<br />
Vertreter und Beamte<br />
bestimmt, die Phylengenossen<br />
dienten<br />
auch gemeinsam in<br />
der athenischen<br />
Armee. Ideologische<br />
Grundlage dieser<br />
neuen Einheiten war<br />
die Religion – jede<br />
Phyle erhielt einen<br />
eigenen „Schutzpatron“<br />
dessen Verehrung<br />
ihre Mitglieder<br />
vereinte. Daneben<br />
wurden die Phylengenossen,<br />
Jugendliche<br />
wie Erwachsene,<br />
Die regelmäßig<br />
abgehaltenen Bürgerversammlungen<br />
in<br />
der Gemeinde selbst<br />
wurden zu einer<br />
„politischen Schule“,<br />
wo der Bürger die<br />
Mechanismen der<br />
demokratischen<br />
Staatsform kennen<br />
und verstehen lernte.<br />
durch gemeinsame Sportaktivitäten<br />
und die aktive Gestaltung kultureller<br />
Veranstaltungen in das öffentliche<br />
Leben Athens eingebunden. Es wurden<br />
Chore und Tanzgruppen der Phylen<br />
geschaffen und zu überregionalen Festivals<br />
geschickt, bei überregionalen<br />
Sportfesten kämpften Läufer für den<br />
Sieg der eigenen Phyle. Die vemögenden<br />
Mitglieder der Phyle waren dazu<br />
aufgerufen, diese kulturellen Aktivitaten<br />
zu finanzieren.<br />
So wurden die verstreut in ganz Attika<br />
lebenden Mitgliedern jeder Phyle zu<br />
einer politisch wie kulturell aktiven<br />
Gemeinschaft, in der sich über aIle<br />
sozialen und regionalen Unterschiede<br />
und Eigenheiten hinweg eine „corporate<br />
identity“ entwickelte.<br />
Gemeinden und Zentralmacht<br />
in Roms Imperium<br />
Das Römische Imperium umfasste zu<br />
Beginn des zweiten Jahrhunderts nach<br />
Christus weite Teile Europas, Nordafrikas<br />
und des Vorderen Orients. Friede<br />
(pax Romana), Rechtsschutz für alle<br />
Angehörigen des Reiches (ius) sowie<br />
die Errungenschaften römischer Infrastruktur<br />
(Straßen, Wasserversorgung,<br />
öffentliche Bauten) und Verwaltung<br />
(einheitliche Amtssprache Latein und<br />
gemeinsame Währung) waren Leistungen,<br />
die das römische Reich für viele<br />
Bewohner der eroberten Gebiete<br />
attraktiv machte. Gleichzeitig wurde<br />
viel Spielraum für die eigenen kulturellen<br />
und religiösen Traditionen gelassen,<br />
auch die lokalen Verwaltungseinheiten<br />
blieben weitgehend intakt.<br />
Subsidiaritat und schlanke<br />
Verwaltung aus Prinzip<br />
Die Verwaltung des weitläufigen und<br />
uneinheitlichen Reichsgebietes stellte<br />
die politisch Verantwortlichen<br />
vor große Probleme,<br />
konnten sie doch<br />
auf keinerlei moderne<br />
Transport- und Kommunikationsmittelzurückgreifen.<br />
Die römische Ordnungsmacht<br />
musste sich daher<br />
auf wenige wesentliche<br />
Aufgabenbereiche<br />
beschränken: die<br />
militärische Sicherung<br />
des Gebietes nebst den<br />
dazu notwendigen Infrastruktureinrichtungen<br />
(Römerstraßen, Garni-<br />
Historisches<br />
sonen, Befestigungsanlagen, Post- und<br />
Kurierwesen), die Garantie der Rechtssicherheit<br />
im Inneren und die Erhebung<br />
der Steuern. Der für die Provinzialverwaltung<br />
zuständige Statthalter<br />
kam in der Regel mit einigen hundert<br />
beamteten Helfern aus, im gesamten<br />
Reich gab es kaum mehr als 10.000<br />
staatliche Verwaltungsbeamte. Daneben<br />
wurden die schon bestehenden Strukturen<br />
lokaler Verwaltung gemäß dem<br />
Prinzip der Subsidiarität weitgehend<br />
beibehalten und auf Basis der Provinzialverfassungen<br />
(leges provinciae) in den<br />
großen Rahmen der römischen Rechtsordnung<br />
eingebunden. Damit gab Rom<br />
einen Großteil der Verwaltungsarbeit<br />
an die lokalen Behörden ab.<br />
Flexibilität im Umgang<br />
mit einzelnen Regionen<br />
In diesen Provinzialgesetzen, die je<br />
nach den Gegebenheiten der eingegliederten<br />
Gebiete und den politischen<br />
Umständen verschieden waren, wurden<br />
die Rechte und Pflichten der ansässigen<br />
Bevölkerung sowie die Aufgaben und<br />
Im Römischen Imperium wurde<br />
viel Spielraum für die eigenen<br />
kulturellen und religiösen<br />
Traditionen gelassen, auch die<br />
lokalen Verwaltungseinheiten<br />
blieben weitgehend intakt.<br />
Kompetenzen des jeweiligen Statthalters<br />
festgelegt. In erster Linie ging es<br />
dabei um die Steuerpflicht und die<br />
Regelung der Gerichtsbarkeit.<br />
Nur eine vergleichsweise kleine Anzahl<br />
yon Städten des Römischen Reiches<br />
hatten als civitates foederatae ein eigenes<br />
Abkommen (foedus) mit Rom<br />
geschlossen, und darin eigens ausverhandelte<br />
Rechte erhalten. Besondere<br />
Privilegien genossen auch die so<br />
genannten civitates liberae. Sie unterstanden<br />
nicht der Rechtsprechung des<br />
Provinzstatthalters und genossen<br />
zudem das Privileg der Steuerfreiheit.<br />
Politische Kontinuität auf<br />
lokaler Ebene<br />
Die Verwaltung der einzelnen Gemeinden<br />
einer Provinz lag auch nach der<br />
römischen Machtübernahme weitge-<br />
KOMMUNAL 51