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Jammer <strong>de</strong>r geschlachteten Menschheit ohne Furcht hinausgeschrien<br />
hat; einer, <strong>de</strong>r, totgeschwiegen, geächtet und vereinsamt,<br />
<strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>n Weg in abertausend Herzen gefun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen er einzige<br />
Tröstung war. Karl Kraus hat auf <strong>de</strong>r Höhe seines Lebens <strong>de</strong>n<br />
Sieg seines Werkes und seiner Sendung feiern dürfen. Das Fest<br />
seines 50. Geburtstages, das Dienstag abends in <strong>de</strong>r Neuen Wiener<br />
Bühne mit <strong>de</strong>r Aufführung von »Traumstück« und »Traumtheater«<br />
begangen wur<strong>de</strong>, gestaltete sich zu einem Triumph, wie<br />
ihn wohl noch kein Dichter in einem Wiener Theatersaal erlebt<br />
hat. Als nach <strong>de</strong>r letzten Szene <strong>de</strong>r Vorhang fiel, verließ niemand<br />
das Haus. Das Publikum erhob sich von <strong>de</strong>n Sitzen und ein elementarer<br />
Begeisterungsausbruch rief Karl Kraus wohl an die fünfzig<br />
Male vor <strong>de</strong>n Vorhang. — — »Traumtheater« — — eine Traumphantasie<br />
von Goethescher Größe, <strong>de</strong>r hauchfeine lyrische Lichter<br />
aufgesetzt sind und doch auch wie<strong>de</strong>r messerscharfe Dialektik<br />
und beißen<strong>de</strong>r Witz. — Im »Traumstück«, einem Nachklang zu<br />
<strong>de</strong>n »Letzten Tagen <strong>de</strong>r Menschheit«, kommt Kraus' geniale Gestaltungskraft<br />
und seine ätzen<strong>de</strong> Satire zu unerreichbarer Wirkung.<br />
— — Es war ein wun<strong>de</strong>rschöner Theaterabend, vom Glanz<br />
eines genialen Geistes umstrahlt.<br />
<strong>An</strong> diesem Pendant wird <strong>de</strong>r kulturhistorische Feinschmecker erst würdigen<br />
können, was die Leistung <strong>de</strong>s Intelligenzblattes in Wahrheit be<strong>de</strong>utet. Also die<br />
'Neue Freie Presse':<br />
(Neue Wiener Bühne.) Das einaktige Spiel »Traumtheater« von<br />
Karl Kraus, <strong>de</strong>ssen Erstaufführung heute stattfand, behan<strong>de</strong>lt in<br />
symbolischer Form das Ineinan<strong>de</strong>rspielen von Traum und Theater.<br />
Ihm folgte das »Traumstück«, worin <strong>de</strong>r Verfasser sich selbst darstellt,<br />
wie ihn nachts am Schreibtisch visionäre Gestalten bedrängen.<br />
In bei<strong>de</strong>n Stücken fielen Cäcilie Lvovsky und Lothar Müthel<br />
durch ihr intellektuelles Spiel auf. Auch Carl Goetz und Erna<br />
Schöller boten abgerun<strong>de</strong>te Leistungen. Das Auditorium war sehr<br />
beifallsfreudig.<br />
Die Neue Freie Presse hat mithin zu <strong>de</strong>r Sensation, die das Auftun ihres Mun<strong>de</strong>s<br />
unter <strong>de</strong>m Zwang einer geistigen vis major vorstellt, die größere gefügt,<br />
sich für diese Nie<strong>de</strong>rlage durch einen Schuftenstreich zu rächen, <strong>de</strong>ssen Ausgeklügeltheit<br />
in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r wenigen Worte vielleicht die stärkste aller Lumpereien<br />
ist, die jemals aus ihrem Papier gebil<strong>de</strong>t waren. Nicht nur das sehr beifallsfreudige<br />
Auditorium, das bei <strong>de</strong>m Gedanken, einer <strong>de</strong>r Autoren <strong>de</strong>r Neuen<br />
Freien Presse könnte je einen solchen Abend erleben, auch überaus lachlustig<br />
war, nein ganz Wien — vielleicht mit Ausnahme jener Kreise, die das bloße<br />
»Genanntwer<strong>de</strong>n« in <strong>de</strong>r Presse schon mit Weihestimmung erfüllt und die<br />
mich nunmehr tatsächlich für einen »gemachten Mann« halten —: alles verstand,<br />
daß hier Tücke <strong>de</strong>r Ausweg aus <strong>de</strong>r Verlegenheit und daß, was die<br />
Neue Freie Presse da geleistet hatte, klein, aber fein war. Welch ein Monument<br />
<strong>de</strong>r Niedrigkeit!<br />
Die Ehre eines geistigen Wien, das von <strong>de</strong>r bürgerlichen Presse teils so,<br />
teils durch die Belanglosigkeiten eines Reporterwohlwollens vertreten war,<br />
rettete, wie schon bei weniger gefährlichen <strong>An</strong>lässen, die die Literaten nicht<br />
in die Flucht treiben, Alfred Polgar im 'Tag':<br />
Ein höchst ungewöhnlicher Abend. Was und wie gespielt wur<strong>de</strong>,<br />
war ganz fern üblichem Theater. Und ein Schauspiel für sich, gipfelnd<br />
in <strong>de</strong>n Szenen, die nach Schluß kamen: das Überwältigtsein<br />
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