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man sich in <strong>de</strong>m toll. Haus, das wohl <strong>de</strong>m Salzburger Sommer durchaus angepaßt<br />

erscheint, mit seiner Flucht von Zimmern zurechtfand, wur<strong>de</strong> behauptet,<br />

es sei die sensationellste <strong>An</strong>nonce, mit <strong>de</strong>r die kapitalistische Presse je Farbe<br />

bekannt und nach <strong>de</strong>n moralischen Erhitzungen <strong>de</strong>r Epoche ihr wahres Gesicht<br />

gezeigt hat, in<strong>de</strong>m eine—Redaktion, die <strong>de</strong>r Prostitution eine Goldgrube<br />

gräbt, selbst hereinfällt. Da aber gleich hinten <strong>de</strong>r Film »Narrenhaus <strong>de</strong>r Liebe«<br />

angezeigt wur<strong>de</strong>, war man vollends verwirrt, in<strong>de</strong>m nunmehr die I<strong>de</strong>ntität<br />

eines Tollhauses mit einem tolerierten Haus <strong>de</strong>r Vorstellung nahegerückt<br />

schien. Vielfach war auch die Meinung verbreitet, es handle sich um <strong>de</strong>n Verkauf<br />

einer Zeitung mit 25 (o<strong>de</strong>r eigentlich ca. 25) erstklassig eingerichteten<br />

Redaktionszimmern, die als toleriertes Haus inklusive <strong>de</strong>m Inventar <strong>de</strong>r Gesinnung<br />

um ein Spottgeld zu haben sei, eine Transaktion, gegen die sich die<br />

Insassen bekanntlich weniger zu sträuben pflegen als die Insassinnen gegen<br />

<strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>r Bor<strong>de</strong>llmutter. Aber erstens wäre das keine Goldgrube und<br />

zweitens wür<strong>de</strong> das lukr. Nachtgeschäft eines Tagblatts, das die Verkäuflichkeit<br />

in <strong>de</strong>r eigenen Branche nur von Fall zu Fall für das Richtige hält, sich zu<br />

so einer Unanständigkeit nicht hergeben. Es war in <strong>de</strong>r Tat eine ganz harmlose<br />

Bor<strong>de</strong>llannonce, also das <strong>An</strong>ständigste, was heute in <strong>de</strong>r Wiener kapitalistischen<br />

Presse seinen Platz fin<strong>de</strong>n dürfte, so daß man nur sagen kann: Vater<br />

We<strong>de</strong>kind schau oba — ein schüchterner Versuch, aus <strong>de</strong>m Kleinen <strong>An</strong>zeiger<br />

heraus einmal aufs Ganze zu gehen, wobei aber bemerkt wer<strong>de</strong>n muß, daß<br />

Herrn Sieghart für <strong>de</strong>n Casti Piani je<strong>de</strong> Haltung fehlt. Was hätte jener Vorgänger,<br />

<strong>de</strong>r noch Singer hieß und toleranten Weltsinn doch mit <strong>de</strong>m Begriff<br />

publizistischer Wür<strong>de</strong> zu paaren wußte, dazu gesagt! Es sind <strong>An</strong>omalien, die<br />

sich aus <strong>de</strong>r Verwirrung <strong>de</strong>r Zeit erklären. Die Neue Freie Presse, die längst<br />

keine Goldgrube mehr ist, hat sich entschlossen, ihr Heim zu schmücken, auf<br />

daß es <strong>de</strong>n Gästen, wenn sie schon immer wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Salten, Müller und<br />

Ludwig Hirschfeld vorliebnehmen müssen, behaglicher sei, und zum Jubiläum<br />

<strong>de</strong>r Fackel illustriert zu erscheinen. Ein zufälliges Zusammentreffen aus tiefinnersten<br />

Ursachen. Als die Fackel gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, hätte sich noch keine<br />

Operettensängerin rühmen können, daß ihr Bild in <strong>de</strong>r Neuen Freien Presse<br />

erschienen ist, wie es an<strong>de</strong>rseits auch unvorstellbar gewesen wäre, daß eine<br />

Tragödin im Café Lurion auftritt und daß die öffentliche Meinung sich in Wollustkrämpfen<br />

vor einem Preisboxer win<strong>de</strong>t.<br />

O<strong>de</strong>r auch vor Richard Strauß, <strong>de</strong>ssen tiefer Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />

Zeit auf <strong>de</strong>r flachen Hand liegt und <strong>de</strong>r ganz bestimmt eher eine Aktiengesellschaft<br />

ist als ein Genie. Nun scheint aber selbst das Alleskönnen versagt zu<br />

haben und auch die Korybantenkritik kann es nicht verhehlen, daß es eine<br />

grauenvollere Verödung sogar <strong>de</strong>s Ballettgeistes und eine ausgiebigere Herabsetzung<br />

<strong>de</strong>s Theaters zur Kleinkin<strong>de</strong>rbewahranstalt bisher nicht gegeben<br />

hat als dieses »Schlagobers«, worin sich <strong>de</strong>r launige Altmeister, <strong>de</strong>m so vielfach<br />

<strong>de</strong>r Schalk im Nacken sitzt, mit <strong>de</strong>r sozialen Frage auf seine Art auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />

Nämlich so, daß das feine Demelgebäck es mit <strong>de</strong>m ordinären Gebäck,<br />

Stritzeln, Brezeln, Schmalznu<strong>de</strong>ln, Gugelhupfen und <strong>de</strong>rgleichen Proletariat<br />

— dieses, wirklich, aufgewiegelt von <strong>de</strong>n Intellektuellen Mazzes — zu<br />

schaffen kriegt, bis zur Beruhigung <strong>de</strong>r Kreise, die in <strong>de</strong>n Opernlogen sitzen<br />

und <strong>de</strong>ren kapitalistisches Bewußtsein von dieser Kunst so sympathisch angesprochen<br />

wird wie sonst nur ihr Snobismus, also bis das resolute Münchner<br />

Bier — so ists recht! — <strong>de</strong>m Klassenkampf ein versöhnliches En<strong>de</strong> setzt. Wozu<br />

ja das Münchner Bier speziell in <strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>r Wiener Konditorei berufen<br />

ist. In dieser hat sich ein Firmling überessen und <strong>de</strong>ssen Magenumdrehn, das<br />

die äußere Handlung zu bil<strong>de</strong>n scheint, erfährt eine musikalische Illustration,<br />

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