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schnell fortschreiten. All diese großen, materiell gerichteten Organisationen,<br />

in <strong>de</strong>nen Recht, Gesetz und Ehrfurcht vor <strong>de</strong>r Menschheit<br />

verleugnet wer<strong>de</strong>n, sind tönerne Kolosse, wir haben diese Erfahrung<br />

teuer bezahlt. Aber <strong>de</strong>r moralische Nie<strong>de</strong>rgang Deutschlands<br />

be<strong>de</strong>utet nicht das künftige Heil Frankreichs, und wenn wir<br />

an <strong>de</strong>r Reihe sein wer<strong>de</strong>n, ihm das erlittene Unrecht zu vergelten,<br />

wird uns seine Vernichtung kein neues Leben schenken. Nicht im<br />

vergossenen Blut verjüngen und erneuern sich die Völker. Ströme<br />

von Leben können noch aus <strong>de</strong>r Leiche Frankreichs entstehen,<br />

aber die Leiche Deutschlands wird <strong>de</strong>r Pestherd Europas wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein Volk, das sein I<strong>de</strong>al verloren hat, kann sich nicht selber erneuern.<br />

Sein Tod wirkt nicht befruchtend, alle, die seine giftigen Ausdünstungen<br />

atmen, wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m tödlichen Übel mitbetroffen.<br />

Armes Deutschland, Gott schüttet über dich wie über uns die<br />

Schale seines Zornes aus, und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Geist beweint dich<br />

und bereitet <strong>de</strong>inen Grabspruch vor, während du frohlockst und<br />

dich berauschst. Frankreich, <strong>de</strong>r bleiche und bluten<strong>de</strong> Kranke,<br />

hält immer noch in verkrampften Hän<strong>de</strong>n einen Zipfel <strong>de</strong>s besternten<br />

Mantels <strong>de</strong>r Zukunft, du aber hüllst dich in eine befleckte<br />

Fahne, die dir zum Leichentuch wer<strong>de</strong>n wird …<br />

Die Ge<strong>de</strong>nktage<br />

<strong>de</strong>r Vollendung <strong>de</strong>s fünfundzwanzigsten Jahres <strong>de</strong>r Fackel und <strong>de</strong>s fünfzigsten<br />

meines Lebens 1 haben mir eine so beglücken<strong>de</strong> Fülle von Grüßen und Gaben<br />

bekannter und weit mehr noch unbekannter Freun<strong>de</strong> zugeführt, daß <strong>de</strong>r Herzensdank<br />

—, und einer, <strong>de</strong>r gegen alle nur auf diesen Ausdruck angewiesen<br />

bleibt — es mit solchem <strong>An</strong>sturm <strong>de</strong>r Gefühle unmöglich aufnehmen könnte.<br />

Wie je<strong>de</strong> Gelegenheit aber, welche die Welt hat, sich zur Tatsache <strong>de</strong>r<br />

Fackel zu stellen, hat ihr auch diese festliche die reine Scheidung in zwei Welten<br />

ermöglicht, und wiewohl aus <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn und ihrer größern Öffentlichkeit<br />

zum erstenmal lautere Stimmen <strong>de</strong>r Bejahung herüberdrangen, so ist doch<br />

das Fest als solches, die Teilnahme <strong>de</strong>s Wohlwollens und die Freu<strong>de</strong>, Glück zu<br />

wünschen, eine <strong>An</strong>gelegenheit jener geblieben, die von <strong>de</strong>r einen Welt <strong>de</strong>n Lebensmut<br />

beziehen, wenn sie an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn verzweifeln. Ihrem Sinn und Wesen<br />

entspräche es nicht, als eine Gratulantenschar gereiht zu wer<strong>de</strong>n, eher'<br />

schon: die längere Liste jener zu überblicken, die aus Furcht, in die an<strong>de</strong>re zu<br />

kommen, die Gratulation unterlassen haben und nebst allen besseren Gefühlen<br />

<strong>de</strong>n oft bewiesenen Drang, auch an die inoffizielle Welt <strong>de</strong>r geistigeren<br />

Macht <strong>An</strong>schluß zu fin<strong>de</strong>n, zu so günstiger und markanter Gelegenheit bemeistern<br />

konnten. Denn selbst zum Glückwünschen gehört heutzutage Mut;<br />

und »diese treibt ein hohles Wort <strong>de</strong>s Herrschers, nicht ihr Gemüt«. Und alle<br />

diese Advokaten und Literaten, Beamten und Richter, alle diese Unterwürflinge<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Meinung, die doch keinen <strong>de</strong>r Zufälle und <strong>An</strong>lässe, die sie<br />

mir in <strong>de</strong>n Weg führten, je verpaßt haben, es auch vor mir zu sein, fürchten<br />

im Grun<strong>de</strong> nichts an<strong>de</strong>res als ihrer aller Vorgesetzte: die Neue Freie Presse.<br />

Daß <strong>de</strong>r Staat als solcher keinen jener Töne einer Konvention <strong>de</strong>r <strong>An</strong>erkennung<br />

von sich gegeben hat, die er doch als die Exekutive kultureller Interessen<br />

ohneweiters fin<strong>de</strong>t, wenn eine vaterländische Null fünfzig Jahre alt wird<br />

1 28. April<br />

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