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Gewiß schwer zu begreifen, aber wir wer<strong>de</strong>n es schon machen. Vorerst sage<br />
<strong>de</strong>r Kopf, was er weiter zu sagen hat:<br />
Man spielte sein »Traumstück«. Der Dichter, am Schreibtisch, ist<br />
nachts von Erscheinungen bedrängt. Die Mör<strong>de</strong>r und Opfer <strong>de</strong>s<br />
Weltkrieges, die Nutznießer <strong>de</strong>s Zusammenbruches rauben ihm<br />
die Nachtruhe. Benei<strong>de</strong>nswerter Dichter. Die Schuld <strong>de</strong>r Umwelt<br />
läßt ihn <strong>de</strong>s Nachts nicht schlafen. Aber die eigene Schuld ficht<br />
ihn nicht an. Glücklicher Kraus, <strong>de</strong>m sich niemals verdichten die<br />
eigenen Sün<strong>de</strong>n zu Traumgesichten.<br />
Theodor Herzls Gestalt zum Beispiel kam noch nie zu ihm aus<br />
<strong>de</strong>m Jenseits. Und doch hat er an diesem Manne schwerer gesündigt<br />
als selbst die »Neue Freie Presse«, hat <strong>de</strong>n Schöpfer <strong>de</strong>s politischen<br />
Zionismus niedrigster Spekulation verdächtigt, hat nach<br />
Kräften mitgeholfen, daß sein kostbares Leben verkürzt wur<strong>de</strong>,<br />
hat nie wi<strong>de</strong>rrufen, nie bereut, hatte erst jüngst die Unverfrorenheit,<br />
nach <strong>de</strong>r Lektüre von Herzls Tagebuch die »Neue Freie Presse«<br />
anzuklagen und zynisch zu verschweigen, daß er selbst <strong>de</strong>r<br />
Verfasser <strong>de</strong>s Pamphlets »Eine Krone für Zion« ist. — Es stört niemals<br />
seine Nächte <strong>de</strong>r Arbeit, daß er, <strong>de</strong>r sich jetzt als <strong>de</strong>n einzigen<br />
mutigen Gegner <strong>de</strong>s Weltkrieges aufspielt, zu Beginn <strong>de</strong>s<br />
Krieges schrieb: »Wer jetzt etwas zu sagen hat, <strong>de</strong>r trete vor und<br />
schweige« — — und erst dann nicht schwieg, als es ihm gelang, so<br />
zu schreiben, daß es bei <strong>de</strong>r Zensur durchrutschte und keine Gefahr<br />
für Leib und Leben war (während Friedrich Adler hinging<br />
und sein Leben in die Schanze schlug) — — —<br />
*<br />
Auf <strong>de</strong>r Galerie drängte sich die Jugend, die vorwiegend jüdische<br />
Jugend, welche K. nicht bloß als Schriftsteller (was ihm gebührt),<br />
son<strong>de</strong>rn weit mehr noch als sittliche Größe, als Propheten, verehrt.<br />
Wenn sie eines Tages ent<strong>de</strong>ckt, daß sie ihn <strong>de</strong>shalb verhimmelte,<br />
weil ihm »nicht beizukommen« ist, wird sie sich schämen<br />
müssen.<br />
Es ist eine alte Beschwer<strong>de</strong>, daß mir nicht beizukommen und was ich<br />
tue, schwer zu begreifen ist. Dazu kommt, daß ich solchen, die <strong>de</strong>n Versuch<br />
machen, mich zu fassen, das Gelingen noch dadurch erschwere, daß ich mich<br />
erwischen lasse. Auch hier muß ich die große Geistesgegenwart <strong>de</strong>s Beobachters<br />
anerkennen und zugeben, daß eigentlich fast alles, was ihn an mir beunruhigt,<br />
wahr ist, etwa außer <strong>de</strong>r Behauptung, daß ich nach Kräften mitgeholfen<br />
habe, Herzls Leben zu verkürzen, eine Tätigkeit, von <strong>de</strong>r in seinen Tagebüchern,<br />
die doch je<strong>de</strong> ihm wi<strong>de</strong>rfahrene Unbill verzeichnen, keine Spur zu<br />
fin<strong>de</strong>n ist, er müßte <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>n Autor <strong>de</strong>r Schrift »Eine Krone für Zion« noch<br />
mehr verachtet haben als seinen eigenen Chefredakteur. Und natürlich habe<br />
ich die Neue Freie Presse nicht »angeklagt«, weil sie <strong>de</strong>m Zionismus abhold<br />
war, son<strong>de</strong>rn bloß die Aussage eines völlig Eingeweihten über ihre Schäbigkeit<br />
zitiert, die sich natürlich auch in <strong>de</strong>r Art nicht verleugnet hat, wie sie die<br />
Pläne ihres Mitarbeiters sabotierte und für eine Insertionsgebühr von ihnen<br />
Notiz nahm. Ich habe bei dieser Gelegenheit nicht zynisch verschwiegen, daß<br />
ich <strong>de</strong>r Verfasser <strong>de</strong>s Pamphlets »Eine Krone für Zion« bin, <strong>de</strong>nn ich brauchte<br />
es bei dieser Gelegenheit nicht zu bekennen, umsoweniger als es ohnedies<br />
schon ziemlich bekannt war. Tatsache ist aber, daß ich die Schrift nie wi<strong>de</strong>rrufen<br />
habe und sie nicht mehr bereue als irgen<strong>de</strong>ine meiner Schriften, welche<br />
ich wegen <strong>de</strong>r künstlerischen Unvollkommenheit bereue, die mir einer je<strong>de</strong>n<br />
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