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schmacklosigkeit, son<strong>de</strong>rn eine Naturnotwendigkeit ist, die <strong>de</strong>r große Laie<br />
Publikum weit besser spürt als je<strong>de</strong>r einzelne Fachmann, <strong>de</strong>r in ihm Platz hat.<br />
Ferner glaube ich ernstlich, daß es die Musikbegleitung ist, die die Wie<strong>de</strong>rholung<br />
von »Wohnungswechsel« (die ich sogar in <strong>de</strong>n Programmnotizen verzeichne)<br />
erzwingt. Natürlich in Verbindung mit <strong>de</strong>r »politisch orientierten<br />
Pointe«, nämlich in einem furiosen Zusammenschluß von einer karmagnoleartigen<br />
Wirkung, wie sie ganz gewiß noch nie ein politisch Lied über eine<br />
Saalhörerschaft vermocht hat. Wohl könnte man einem Saal zweimal dieselbe<br />
Pointe, unbe<strong>de</strong>ckt von Musik, nicht zurufen. Des zum Beweise brauchte <strong>de</strong>r<br />
anschlägige Kopf nicht <strong>de</strong>n »Sterben<strong>de</strong>n Soldaten«, <strong>de</strong>r keine politisch orientierte<br />
Pointe hat, heranzuziehen, son<strong>de</strong>rn besser gleich <strong>de</strong>n musiklosen Vortrag<br />
von »Wohnungswechsel«, <strong>de</strong>r ihn als eine Tat künstlerischer Selbstbesinnung<br />
befriedigt hat. Wer spürte nicht von außen, daß eine Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>s<br />
gesprochenen Epigramms »Wohnungswechsel« nach <strong>de</strong>m stürmischesten Beifall<br />
an eine kalte Sphäre stieße, während das Dacapo <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Musik getragenen<br />
»Pointe« eine Steigerung bringt. Aber wer wür<strong>de</strong> einem fachmännischen<br />
Ohr mit <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>r Theaterwirkung kommen und ihm plausibel<br />
machen wollen, daß es keine theaterfrem<strong>de</strong>re Frage geben könnte als die, ob<br />
ich <strong>de</strong>nn glaube, daß »die Musikbegleitung so schön ist, daß <strong>de</strong>r Wunsch nach<br />
mehrmaligem Hören so stürmische Formen annimmt«. Da er sie in <strong>de</strong>r Tat annimmt,<br />
wenn die Musik dabei ist, und weit mehr als wenn sie nicht dabei ist,<br />
so muß wohl die Musik ganz jenseits <strong>de</strong>r Fachmannfrage nach ihrer »Schönheit«<br />
ihren lebendigsten <strong>An</strong>teil daran haben. Und wie sollte sie auch nicht. Da<br />
könnte ein ganzer Saal von Fachmännern mir opponieren, ich wür<strong>de</strong> doch behaupten,<br />
daß eine <strong>de</strong>m Sturm <strong>de</strong>r Versworte angepaßtere Musik nicht geschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n könnte als die zum »Wohnungswechsel«, daß Hinreißen<strong>de</strong>res<br />
als die Vertonung <strong>de</strong>r einen Zeile »beim Weltgericht« und <strong>de</strong>r letzten Parallelzeile<br />
nicht <strong>de</strong>nkbar ist. Der Fachmann möge getrost zwischen <strong>de</strong>r »Banalität<br />
<strong>de</strong>s furchtbaren 'Bananen'—Schlagers und <strong>de</strong>s 'Wohnungswechsel'«<br />
Vergleiche ziehen: vielleicht belehrt ihn ein tieferer Fachmann, daß selbst im<br />
furchtbaren »Bananen«—Schlager ein Einfall waltet, <strong>de</strong>r eben diese Deckung<br />
mit einem Zeitbedürfnis, ohne die wohl die furchtbare Weltwirkung nicht<br />
möglich wäre, bewirkt hat. Aber wie <strong>de</strong>m immer sei und ob hier nur eine<br />
grausige Ödigkeit ans Zeitohr geför<strong>de</strong>rt schiene, die Fachmänner mögen,<br />
wenn sie sich auf mein Gehör schon nicht verlassen können, getrost von <strong>meinen</strong><br />
Irrtümern auf meine wesentliche Unzulänglichkeit schließen. So einer begeht<br />
die krasse Inkonsequenz, sich meiner Besserung zu freuen und mir trotz<strong>de</strong>m<br />
noch die Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r Musik vorzuwerfen, nach<strong>de</strong>m ich doch sogar<br />
schon auf <strong>de</strong>ren einmaligen Vortrag verzichtet habe. Ich kann ihm gar nicht<br />
beredt genug sagen, wie leid mir die Unterlassung tut und daß sie nie mehr<br />
vorkommen wird. »Gera<strong>de</strong> Sie, <strong>de</strong>r Sie doch Gesamtkünstler genug sind, um<br />
zu einer Wortgestaltung die vollkommen angemessene musikalische Formung<br />
zu fin<strong>de</strong>n, mußten die musikalische, ästhetische und künstlerische Unmöglichkeit<br />
dieser Vertonungen doch als Erster spüren.« Und was nun, wenn <strong>de</strong>r Gesamtkünstler<br />
sie nicht nur nicht spürt, selbst als Letzter nicht spürt, son<strong>de</strong>rn<br />
sich beim musiklosen Vortrag gera<strong>de</strong>zu musikverlassen vorkam? Wenn er diese<br />
Musik, wie immer sie fachmännisch gewertet wer<strong>de</strong>n möge, für <strong>de</strong>n absolut<br />
genialen Einfall hält, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m grundsätzlichen Verneiner <strong>de</strong>r Musikbedürftigkeit<br />
<strong>de</strong>r Wortlyrik eben hier als ein satirisches Plus empfun<strong>de</strong>n wird?<br />
Wenn er glaubt, daß vor nichts, wozu sich diese Frau geistig und seelisch entschließen<br />
könnte, Taten und Meinungen <strong>de</strong>r Fachmänner standhielten, ohne<br />
sich ins ewig Mausihafte zu verflüchtigen? »Wollen Sie nicht die Güte haben,<br />
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