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Es ist, so sehr sich alle Ökonomie <strong>de</strong>r Zeit, <strong>de</strong>r Nerven und <strong>de</strong>s Materials<br />

dagegen sträuben mag, unerläßlich, das geistige Inventar <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Kritik, die wohl noch an keinem Fall <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literatur sich so frei von<br />

je<strong>de</strong>m Versuch <strong>de</strong>r Selbstverhüllung fatiert hat, durch die Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r<br />

charakteristischesten Abschnitte aus <strong>de</strong>n Urteilen <strong>de</strong>r Tagespresse darzustellen.<br />

Nur die Plastik <strong>de</strong>r Fülle dieser aggressiven Dummheit und dreisten<br />

Wehrlosigkeit vor <strong>de</strong>m künstlerischen Eindruck vermöchte ein Niveau zu vergegenwärtigen,<br />

vor <strong>de</strong>m ich, was Gerechtigkeit, Sachverstand und stilistisches<br />

Vermögen anlangt, zum lei<strong>de</strong>nschaftlichen Bekenner <strong>de</strong>s Glaubens an<br />

die Wiener Theaterkritik wer<strong>de</strong>. Aber da mich das persönliche Erlebnis wie<br />

<strong>de</strong>r tägliche Augenschein vor diesem Ausgang bewahrt, so kann man ermessen,<br />

welche absolute Kategorie ich <strong>de</strong>r Berliner Zunft zuweise. Nur wer sich<br />

die Mühe nimmt, sich durch diese schwarze Ö<strong>de</strong> eines geistigen Fertigwarenlagers<br />

hindurchzuwin<strong>de</strong>n, wird mit mir zu <strong>de</strong>m Genuß <strong>de</strong>r Gelegenheit gelangen,<br />

einmal an einem exemplarischen Fall <strong>de</strong>n Überblick über die Region zu<br />

haben, in <strong>de</strong>r kein Gras wächst und umso weniger ein Wort, ein Kuß, ein<br />

Hauch <strong>de</strong>s Lebens blüht.<br />

Die Fülle, durch Kommentare, die je<strong>de</strong>r Individualität gerecht wer<strong>de</strong>n,<br />

gebändigt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß doch nur das Handgreiflichste<br />

an trivialem <strong>An</strong>griff gegen Werke und Vorwort zitiert wird. Die fast<br />

durchaus günstige Kritik <strong>de</strong>r schauspielerischen Leistungen war fast durchaus<br />

auf die Verteilung von Klischees beschränkt.<br />

Immerhin ist die erfreuliche Tatsache zu vermerken, daß Herr Alfred<br />

Kerr sich knapp vor <strong>de</strong>r Aufführung unmöglich gemacht hatte (selbst in Berlin)<br />

und infolge<strong>de</strong>ssen nach Kalifornien eingeschifft wur<strong>de</strong>, wo ihn das 'Berliner<br />

Tageblatt' für möglich hält, nach<strong>de</strong>m er es schon in New York, London<br />

und Madrid gewinnend vertreten hat. Eine Affäre mit seinem Schwiegervater,<br />

an welchem er als <strong>de</strong>m Freund einer kleinen Schauspielerin, in Mißbrauch<br />

seiner theaterkritischen Befugnis sein Mütchen kühlen wollte, eine mischpochale<br />

Schmutzgeschichte, in die eine Drohung mit Prügeln hineinspielt und<br />

die er, weil <strong>de</strong>r Schwiegervater ein Staatsbeamter ist, ohne je<strong>de</strong>n Instinkt für<br />

die Komik <strong>de</strong>r <strong>An</strong>gelegenheit zum Pathos eines politischen Attentats hinaufzustapeln<br />

suchte, hat <strong>de</strong>r Premiere <strong>de</strong>n gehässigsten und unzuständigsten Beurteiler<br />

ferngehalten, und ein Vertreter jener älteren kritischen Generation, die<br />

immerhin noch einen Rest von Verantwortungsgefühl und Saalreinheit hatte,<br />

referierte für das 'Berliner Tageblatt«:<br />

KARL KRAUS—ABEND.<br />

Von Fritz Engel.<br />

Das Programmheft, reklameschwätzig wie alle seiner Art, zitiert<br />

einen Ausspruch We<strong>de</strong>kinds über K. K.: »Die Bühne wartet nur<br />

darauf, ihn mit offenen Armen zu bewillkommnen und sich sein<br />

überlegenes Verständnis und sein praktisches Können zunutze zu<br />

machen.« We<strong>de</strong>kind ist wie<strong>de</strong>r einmal das ahnungslose Genie gewesen.<br />

Die Bühne kann lange warten, und K. wird ihr niemals geben,<br />

wonach sie hungert. Er ist <strong>de</strong>r Miniaturist, <strong>de</strong>r geborene, <strong>de</strong>r<br />

gesegnete und verfluchte, seine Kompositionsgabe ist nur im Kleinen<br />

groß, seine Wortkunst zerstäubt, wenn sie auf verschie<strong>de</strong>ne<br />

Schauspielermün<strong>de</strong>r verteilt wird, und wenn etwas Voltairisches<br />

in ihm ist, so drückt es sich zwar nicht in so langweiligen und<br />

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