06.08.2013 Aufrufe

Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern

Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern

Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Fraglich ist immer wieder die Anwendung von neuem Recht bei hängigen Verfahren: Bleibt das Recht bei Gesuchseinreichung<br />

in Kraft (Das Interesse am Vertrauensschutz an der bestehenden Regelung steht hier im Vordergrund) oder wird das<br />

neue Recht nach Gesuchseinreichung beachtet (Das Interesse an der raschen Wirksamkeit des neuen Rechts steht hier im Vordergrund)?<br />

Ein „guter“ Gesetzgeber regelt diese Frage in den Übergangsbestimmungen. Doch häufig fehlt eine Übergangsregelung.<br />

In diesem Fall geht das BGer (meistens) davon aus, dass das Recht im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheides gilt<br />

(w0bei das Urteil nicht hinausgezögert werden darf). Wenn das neue Gesetz jedoch ein wichtiges öffentliches Interesse (z.B.<br />

Gesundheitschutz) verfolgt, dann muss es auch später noch angewendet werden. 5<br />

Von grossem Interesse ist auch die Problematik der Rückwirkung. Dabei muss zwischen echter und unechter Rückwirkung<br />

unterschieden werden.<br />

• Echte Rückwirkung liegt vor, wenn neues Recht auf einen Sachverhalt angewendet wird, der sich abschliessend vor Inkrafttreten<br />

dieses neuen Rechts verwirklicht hat.<br />

• Unechte Rückwirkung liegt in zwei Fällen vor: Einerseits liegt unechte Rückwirkung bei der Anwendung neuen Rechts auf<br />

offene Dauersachverhalte vor. Anderseits spricht man von unechter Rückwirkung, wenn das neue Recht nur für die Zeit nach<br />

seinem Inkrafttreten zur Anwendung gelangt, dabei aber in einzelnen Belangen auf Sachverhalte abstellt, die bereits vor Inkrafttreten<br />

vorlagen. Man spricht in diesem zweiten Fall von sog. Rückanknüpfung (z.B. neue Steuerpflicht, welche die Höhe<br />

auf der Steuer auf Tatsachen vor Inkrafttreten der neuen Pflicht abstellt).<br />

26. April 2006<br />

Die echte Rückwirkung ist nur unter ganz strikten Voraussetzungen zulässig:<br />

1. Die Rückwirkung muss ausdrücklich angeordnet oder nach Sinn des Erlasses klar gewollt sein<br />

2. Die Rückwirkung muss zeitlich mässig sein. Entscheidend sind die besonderen Verhältnisse der betreffenden Regelung.<br />

Insbesondere die Voraussehbarkeit der Gesetzesänderung spielt eine Rolle<br />

3. Die Rückwirkung ist nur zulässig, wenn sie durch triftige Gründe gerechtfertigt ist. Fiskalische Gründe genügen grundsätzlich<br />

nicht, es sei denn, die öffentlichen Finanzen seien in Gefahr.<br />

4. (Die Rückwirkung darf keine stossenden Rechtsungleichheiten bewirken)<br />

5. (Die Rückwirkung darf keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte darstellen. So ist z.B. eine rückwirkende Einteignung unzulässig)<br />

Wobei die letzen beiden Voraussetzungen eigentlich selbstverständlich sind. Unter wohlerworbenen Rechten versteht man Rechte,<br />

welche seit langer Zeit bestehen (z.B. Fischereirechte, Weiderechte) und vertraglich erworbene öffentliche Rechte (z.B. Konzessionen).<br />

Diese wohlerworbenen Rechte haben besondere Bestandeskraft aufgrund des Vertrauensschutzes und der Eigentumsgarantie<br />

und können nur unter sehr restriktiven Bedingungen entzogen werden.<br />

Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 333: Als zeitlich mässig erachtet das Bundesgericht hier eine Rückwirkung von<br />

rund einenhalb Monaten. Zudem mussten die Beamten aufgrund der öffentlichen Diskussion über die Kürzung des Teuerungsausgleiches<br />

mit dieser Regeländerung rechnen, sie war voraussehbar. Als triftige Gründe qualifizierte das Bundesgericht i.c. die<br />

Verwaltungsökonomie (Die Abrechnung wäre ansonsten sehr kompliziert geworden) sowie die grosse Gefahr für die öffentlichen<br />

Finanzen. Die Rückwirkung war überdies im Entscheid ausdrücklich angeordnet, verursachte keine stossenden Rechtsungleichheiten<br />

und keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte, weil der Gesetzgeber die Anstellungsbedingungen der Beamtinnen<br />

und Beamten ändern könne, auch wenn es um die Besoldung gehe.<br />

Das Verbot der Rückwirkung findet seine Begründung darin, dass den Privaten keine Pflichten auferlegt werden sollen, mit<br />

denen sie im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts nicht rechnen mussten. Diese Bedenken sind unangebracht, wenn<br />

die Rückwirkung den Privaten nur Vorteile bringt, d.h. wenn ein begünstigender Erlass mit rückwirkender Kraft ausgestattet<br />

ist. Selbstverständlich darf auch die Rückwirkung begünstigender Erlasse nicht zu Rechtsungleichheiten führen oder Rechte<br />

Dritter beeinträchtigen.<br />

5 So muss die Zulassung eines gefährlichen Medikamentes (aufgrund der neuen Rechtslage) auch in einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens verweigert<br />

werden, weil die neue Rechtsordnung aufgrund des wichtigen öffentlichen Interesses des Gesundheit geschaffen wurde.<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!