Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern
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scheiden, welche Betriebe nun wirklich als Bahnnebenbetriebe zu qualifizieren sind. Das BGer hat sich zuerst mit der Frage<br />
auseinandergesetzt, wie sehr es diese Verfügung überprüfen kann (was ist Ermessenspielraum, was sind unbestimmte Rechtsbegriffe<br />
im fraglichen Art. 39). Der Begriff “Bedürfnisse der Bahnbetriebe” in Absatz 1 wird als unbestimmter Rechtsbegriff ausgelegt.<br />
Der Begriff “befugt” spricht eindeutig für ein Entschliessungsermessen der Behörden. Obwohl unbestimmte Rechtsbegriffe<br />
enthalten sind, auferlegt sich das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung in der Auslegung, weil die Behörden die konkret<br />
vorliegende Situation genauer kennen. Somit drangen die vernachlässigten Betriebe mit ihrer Klage nicht durch.<br />
3. Mai 2006<br />
Wir unterscheiden also bestimmte Rechtsbegriffe, unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessen. Die Aufsichtsbehörden können<br />
grundsätzlich alle Arten von Entscheidungsspielräumen überprüfen. Denn sie haben die gleiche Kognition wie die unterstellten<br />
Behörden. An sich können sie also auch das Ermessen frei überprüfen; doch sie auferlegen sich hier einer Zurückhaltung,<br />
weil sie von einer grösseren Nähe der kontrollierten Verwaltungsbehörden zum Sachverhalt ausgehen.<br />
Die Verwaltungsgerichte können das Ermessen der Behörden nur in Bezug auf Rechtsverletzungen (Ermessensmissbrauch,<br />
Ermessensüberschreitung und Ermessensunterschreitung) überprüfen. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe<br />
wären sie grundsätzlich frei , weil es sich um eine Rechtsfrage handelt. Doch auferlegen sie sich diesbezüglich ebenfalls<br />
einer Zurückhaltung, v.a. wenn es um lokale oder technische Sachverhalte geht.<br />
Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 459. Dieser Fall demonstriert, dass das BGer die Begrifflichkeiten auch nicht schön<br />
sauber auseinanderhält. Der Begriff “ungenügende Leistung” ist zwar unzweideutig als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren.<br />
Trotzdem sprechen die Richter danach vom einem Ermessen, welches sie nur auf Rechtsverletzungen (Ermessensmissbrauch,<br />
Ermessensüberschreitung oder Ermessensunterschreitung) überprüfen können. Diese Auffassung wäre an sich richtig,<br />
doch wurde der Ermessenspielraum hier mit dem unbestimmten Rechtsbegriff vermischt. Richtig wäre gewesen, wenn sich das<br />
Bundesgericht eine Zurückhaltung auferlegt hätte, weil es den sehr konkreten Sachverhalt nicht unmöglich von Lausanne aus<br />
beurteilen kann.<br />
Es gibt vier verschiedene Arten von Ermessensfehler:<br />
• Unangemessenheit Ein Entscheid ist unangemessen, wenn er zwar innerhalb des Ermessenspielraumes liegt, aber das Ermessen<br />
nicht richtig, unzweckmässig gehandhabt wurde. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor.<br />
• Ermessenmissbrauch: Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn die im Rechtssatz umschriebenen Voraussetzungen und Grenzen<br />
des Ermessens zwar beachtet worden worden sind, aber das Ermessen unter unmassgeblichen Gesichtspunkten, insbesondere<br />
willkürlich und rechtsungleich betätigt wird. Ermessensmissbrauch stellt eine Rechtsverletzung dar.<br />
• Ermessensüberschreitung: Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn das Ermessen in einem Bereich ausgeübt wird, in<br />
dem der Rechtssatz kein Ermessen eingeräumt hat. Die Ermessensüberschreitung ist eine Rechtsverletzung.<br />
• Ermessensunterschreitung: Eine Ermessensunterschreitung liegt vor, wenn die entscheidende Behörde sich als gebunden betrachtet,<br />
obschon ihr vom Rechtssatz Ermessen eingeräumt wird, oder wenn sie auf die Ermessensausübung ganz oder teilweise<br />
von Vornherein verzichtet. Auch die Ermessensunterschreitung stellt eine Rechtsverletzung dar.<br />
Die letzten drei Ermessensfehler stellen also qualifizierte Rechtsverletzungen dar, die der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte<br />
zugänglich sind.<br />
Beispiel Bahngesetz (in den Materialien)<br />
Wenn die SBB nur noch in Schnellzugbahnhöfen Bahnnebenbetriebe einrichten würde, ist dies vielleicht nicht so zweckmässig.<br />
Es gibt durchaus Bahnhöfe ohne Schnellzughalt mit grossem Besucherauflauf, hingegen sind gewisse Schnellzugbahnhöfe weniger<br />
besucht. Es würde sich bei einem solchen Entscheid also am ehesten wohl um eine Unangemessenheit handeln.<br />
Würde die SBB verfügen, nur noch in Bahhnöfen mit den Anfangsbuchstaben A-K werden Bahnnebenbetriebe eingerichtet,<br />
handelt es sich dabei um einen krassen Fall von Ermessensmissbrauch. Da dieser Entscheid willkürlich und rechtsungleich wäre.<br />
Würde die SBB die Einrichtung von Bahnnebenbetrieben ausserhalb des Bahngebietes auf einem ihrer Grundstücke verfügen,<br />
würde es sich um eine Ermessensüberschreitung handeln. Der SBB wird per Gesetz kein solches Ermessen eingeräumt.<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 17