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Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern

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III. Die Gemeindeautonomie 21<br />

Die Autonomie der Gemeinde bestimmt sich nach dem kantonalem Recht. Die Gemeindeautonomie ist ein von der<br />

Bundesverfassung garantiertes verfassungmässiges Recht (Art. 50 Abs. 1 BV), dessen Inhalt sich nach dem kantonalen<br />

Recht bestimmt.Der Träger dieses verfassungsmässigen Rechtes ist lediglich die Gemeinde und nicht die einzelnen<br />

Mitglieder der Gemeinde.<br />

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das massgebliche Kriterium für die Autonomie die der Gemeinde eingeräumte<br />

(relativ) erhebliche Entscheidungsfreiheit in einem bestimmten Sachbereich. Das Bundesgericht umschreibt<br />

die Gemeindeautonomie in konstanter Praxis folgendermassen: “Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom,<br />

wenn das kantonale Recht diesen Bereich nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung<br />

überlasst und ihr dabei eine relative erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt.” Die Gemeinde kann autonom in folgenden<br />

Bereichen sein:<br />

• Setzung von kommunalen Recht,<br />

• Anwendung von kommunalen Recht und<br />

• Anwendung von kantonalen Recht (selten).<br />

Für die Geltendmachung der Verletzung der Autonomie steht - wenn der kantonale Instanzenweg ausgeschöpft ist - (lege<br />

feranda) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) an das Bundesgericht zur Verfügung. Sollte<br />

eine Ausnahmebestimmung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Sachen ausschliessen, kommt subsidiär die Verfassungsbeschwerde<br />

in Betracht (dabei werden aber nur Verfassungsverletzungen geprüft).<br />

Bei der Prüfung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ist also<br />

nach folgendem Schema vorzugehen:<br />

1. Ist die Gemeinde legitimiert (formelle Prüfung)?<br />

Die Gemeinde muss als Trägerin hoheitlicher Gewalt auftreten und darf nicht wie eine Privatperson betroffen sein.<br />

2. Ist die Gemeinde im betreffenden Sachgebiet autonom (materielle Prüfung)?<br />

Liegt relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit vor?<br />

3. Ist die Autonomie der Gemeinde verletzt (materielle Prüfung)?<br />

Ist in diese relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit vom Kanton unzulässigerweise eingegriffen worden?<br />

Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 1397: Die Gemeinde Wiesendangen ist zur Beschwerde legitimiert, weil sie beim<br />

Erlass einer Bauordnung als Trägerin hoheitlicher Gewalt auftritt. Beim Erlass von Bau- und Zonenordnungen sind die Gemeinden<br />

grundsätzlich autonom, doch (laut BGer) gibt der kantonale Richtplan beim Entscheid der Auszonung von Siedlungsgebiet<br />

eine klare Grenze vor. Somit besteht bezüglich Auszonung von Siedlungsgebiet keine erhebliche Entscheidungsfreiheit<br />

und damit auch keine Autonomie der Gemeinde in diesem Teilbereich. Weil keine Autonomie der Gemeinde vorliegt, ist die<br />

dritte Frage - ob die Autonomie verletzt wurde - nicht mehr zu prüfen. Die Gemeinde erhielt vor BGer kein Recht, weil sie im<br />

umstrittenen Bereich nicht autonom war.<br />

Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 1398: Beim Erlass von Bau- und Zonenordnungen waltet die Gemeinde als Trägerin<br />

hoheitlicher Gewalt und ist somit legitimiert zur Klage der Verletzung der Autonomie. Im Rahmen des Erlasses von Bau- und<br />

Zonenordnungen ist die Gemeinde autonom, weil ihr vom Kanton ein relativ erheblicher Entscheidungsspielraum eingeräumt<br />

wurde. Diese Autonomie ist vorliegend auch verletzt, weil der Sinn der Autonomie gerade darin besteht, dass die Gemeinden<br />

etwas unterschiedliches regeln können. Der Regierungsrat kann die Vorgehensweise einer Gemeinde somit einer anderen nicht<br />

vorschreiben, dies widerspricht im Grundsatz dem Prinzip der Autonomie.<br />

Beispiel BGE 128 I 136 ff.: Dabei ging es um die Bewilligung für das Aufstellen eines Riesenrades am Herbstmarktes in St.<br />

Gallen. Die Gemeinde St. Gallen erteilte regelmässig der Y AG die Bewilligung, weil sie das grösste Riesenrad stellte. Die X AG<br />

wehrte sich dagegen, weil sie für ihr kleineres Riesenrad nie eine Bewilligung erhalten hat und sich dabei in ihrer Wirtschaftsfreiheit<br />

verletzt sah. Dabei hat sie in ihrer Argumentation vor den kantonalen Instanzen Recht bekommen. Die Gemeinde St.<br />

Gallen hat sich vor Bundesgericht dagegen gewehrt. Das Bundesgericht hat die kantonale Auffassung umgestürzt und eine Verletzung<br />

der Gemeindeautonomie bejaht.<br />

21 Die Gemeindeautonomie eignet sich laut Referenten herrvoragen für Prüfungsfragen.<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 43

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