Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern
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Eine Sonderstellung nehmen die administrativen Rechtsnachteile ein, welche Häfelin/Müller in die repressiven Sanktionen<br />
eingeteilt haben, jedoch auch exekutorischen Charakter aufweisen.<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong>liche Sanktionen lassen sich auch unterscheiden nach der Art, wie die Pflichten begründet werden. Gewisse<br />
verwaltungsrechtliche Sanktionen können dazu dienen, eine unmittelbare durch Rechtssatz begründete Pflicht (z.B. Verwaltungsstrafe,<br />
disziplinarische Massnahme) durchzusetzen. Andere Sanktionen bezwecken dagegen, die Erfüllung einer Pflicht<br />
zu erzwingen, die durch die Konkretisierung des Rechtssatzes mittels Verfügung entstanden ist (z.B. Bestrafung wegen Ungehorsams,<br />
Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang).<br />
Bei der Durchsetzung von Sanktionen besteht eine bestimmte Abfolge, die durch die Behörden eingehalten werden muss:<br />
1. Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht;<br />
2. Anordnung einer Sanktion (Verfügung; kann bei Dringlichkeit ausgelassen werden) um den rechtmässigen Zustand...<br />
• zu wahren (z.b. Abbruchverbot für Denkmal);<br />
• herzustellen (z.b. Abbruchbefehl für widerrechtliche Bauten).<br />
3. Verwaltungszwang (Realakt; Vollstreckung der Pflicht oder Sanktion);<br />
4. (Verfügung über die Kosten der Vollstreckung).<br />
Die Voraussetzungen der Zulässigkeit von verwaltungsrechtlichen Sanktionen sind (allgemein):<br />
• Die sanktionierende Behörde muss für die Sanktion zuständig sein: z.B. das richtige Gericht, die richtigen Behörden.<br />
• Die strafrechtliche Sanktion muss eine gesetzliche Grundlage aufweisen: Bei den exekutorischen Massnahmen tritt jedoch<br />
die verwaltungsrechtliche Pflicht an die Stelle der gesetzlichen Grundlage für den Erlass einer Sanktion. Anders verhält es<br />
sich, wenn die Sanktion eine neue Verpflichtung begründet, die dem Pflichtigen mehr oder anderes gebietet als die zu vollstreckende<br />
Norm oder Verfügung. In diesen Fällen, d.h. namentlich bei repressiven Sanktionen, bedarf die Sanktion einer<br />
speziellen gesetzlichen Grundlage<br />
• Die strafrechtliche Sanktion muss verhältnismässig sein: Eignung, Notwendigkeit und die Zweck-Mittel-Relation müssen<br />
gegeben sein. Bei gewissen Sanktionen ergibt sich die Verhältnismässigkeit jedoch relativ automatisch und unproblematisch<br />
(z.B. bei der antizipierte Ersatzvornahme oder bei der Schuldbetreibung)<br />
zwei weitere besondere Voraussetzungen müssen nur bei gewissen Sanktionen vorhanden sein:<br />
• Vollstreckbarkeit der Verfügung: Eine Sanktion zur Durchsetzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht, die durch eine Verfügung<br />
begründet worden ist, kann grundsätzlich erst angeordnet werden, wenn diese Verfügung vollstreckbar ist (d.h. die formelle<br />
Rechtskraft eingetreten ist). Diese Voraussetzung ist immer dann zu prüfen, wenn sich die verwaltungsrechtliche<br />
Pflicht auf eine Verfügung stützt.<br />
• Androhung der Sanktion: In der Regel muss eine Sanktion angedroht werden. Es muss den Privaten die Möglichkeit gegeben<br />
werden, verwaltungsrechtliche Pflichten durch selbstständige Initiative einzuhalten.<br />
In vielen Fällen entspricht eine Androhung nicht dem Zweck der Sanktion und ist deshalb nicht Voraussetzung: Bei Vereitelungsgefahr<br />
der Sanktion des unmittelbaren Zwangs (z.B. bei Verhaftung), disziplinarischen Massnahmen, Ordnungsbussen<br />
und bei antizipierte Ersatzvornahme.<br />
Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 1149: Im Visier der Überprüfung der verwaltungsrechtlichen Sanktion der Wiederherstellung<br />
des rechtmässigen Zustandes (Ersatzvornahme) stand die Voraussetzung der Verhältnismässigkeit der Sanktion. Der<br />
Moorschutz wird vom BGer als sehr wichtiges öffentliches Interesse eingeordnet . Zudem sei die Abweichung vom Erlaubten<br />
nicht etwa gering, sondern gross, weil der Neubau die alte Struktur baulich sichtbar verändert habe. Schlussendlich sei das öffentliche<br />
Interesse an der konsequenten Durchsetzung der raumplanerischen, baupolizeilichen und Naturschutz-Vorschriften<br />
in sehr wichtig, weil ansonsten das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Staates abzugehgen drohe. Die Zweck-Mittel-<br />
Relation der entgegenstehenden Interessen spricht also eindeutig für die Aufrechterhaltung der Sanktion. Der Bauherr muss<br />
den rechtmässigen Zustand wiederherstellen.<br />
Beispiel Häfelin/Müller Randziffer Nr. 1170: Der Einsatz der Schusswaffe als strafrechtliche Sanktion erfüllt in diesem<br />
Beispiel die Voraussetzung der Verhältnismässigkeit keinesfalls: Der Polizist möchte mit dem Einsatz der Schusswaffe das Anhalten<br />
des Autos der Wilderer und deren Identifikation erreichen. Diese Sanktion ist klarerweise unverhältnismässig; die Identifikation<br />
der Wilderer hätte auch über das Nummernschild des Autos erfolgen (mildere Massnahme) können und daher war<br />
der Einsatz der Schusswaffe nicht erforderlich.<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 37