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Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern

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Diese Voraussetzungen prüfen wir nun am Beispiel Verordnung über die Ausrichtung von Wohnungsentschädigungen (In den Materialien):<br />

Die Angehörigen eines Polizeikorps haben eine Wohnsitzpflicht innerhalb eines bestimmten Radius ihres Einsatzortes. Als<br />

Entschädigung für diesen Umstand erhalten sie eine Wohnungsentschädigung. Der Regierungsrat des betreffenden Kantons<br />

fand diese Verordnung zu kompliziert, weil die Entschädigung immer wieder neuen Gegebenheiten (z.B. neuer Zivilstand, neuer<br />

Eigenmietwert, usw.) angepasst werden musste. Zudem kam es durch die unterschiedlichen Wohnungsentschädigungen zu<br />

Unfrieden im Polizeikorps (Vergleich von Entschädigungen). Der Regierungsrat wollte die Abgaben deswegen pauschalisieren.<br />

Ist dies zulässig? Polizeiangehörige, die vor der Ausrichtung der Pauschale grössere Beiträge bekamen, argumentierten damit,<br />

dass sie auf die höhere Entschädigung vertraut hatten und durch die Änderung ihr Vertrauen verletzt werde.<br />

Eine Verordnung stellt grundsätzlich keine geeignete Grundlage für das Vertrauen dar, weil es sich um einen rechtssetzenden<br />

Erlass handelt, bei dem es in der Natur der Sache liegt, dass er geändert werden kann. Als Vertrauensgrundlage kann jedoch die<br />

Ausrichtung der Entschädigung als Lohnbestandteil bewertet werden, weil es sich dabei um eine Verfügung handelt.<br />

Durch die Zustellung dieser Verfügung sollten die einzelnen Angestellten die Vertrauensgrundlage erkannt und daran vertraut<br />

haben. Zudem konnten sie sich zum Zeitpunkt der Zustellung keine Kenntnis einer allfälligen Fehlerhaftigkeit vorwerfen lassen,<br />

weil es noch gar keine Fehlerhaftigkeit dieser Verfügungen gab.<br />

Die Vertrauensbetätigung besteht darin, dass man sich teurere Wohnungen genommen hat oder Kinder gezeugt hat im Bewusstsein<br />

darauf, dass man einen höhere Entschädigung bekommen wird. Diese Dispositionen sind nicht ohne Nachteil rückgängig.<br />

Zudem ist ein Kausalzusammenhang zwischen Verfügung und Disposition erkennbar.<br />

Auf Grund dieser Voraussetzungen kann gesagt werden, dass ist das Vertrauen in diese Verfügung somit erweckt und durch die<br />

Verordnungsänderung verletzt worden istl<br />

Schlussendlich muss noch eine Abwägung zwischen dem Vertrauensschutz und am Vertrauensschutz entgegenstehenden öffentlichen<br />

Interessen vorgenommen werden. Die Interessen, welche dem Vertrauensschutz entgegenstehen sind die Verwaltungsökonomie<br />

und der Betriebsfrieden bei der Polizei. Doch bei einer angemessen zeitlichen Umstellung der Verordnung auf Pauschalen<br />

(durch Übergangsbestimmungen) kann den widersprechenden Interessen genügend Rechnung getragen werden.<br />

Das Prinzip des Vertrauensschutzes soll verhindern, dass die Privaten infolge ihres Vertrauens in das Verhalten von Behörden<br />

einen Nachteil erleiden. Der Vertrauensschutz führt zu unterschiedlichen Rechtsfolgen:<br />

• Bindung an die Vertrauensgrundlage (Bestandesschutz): Die Verfügung, auf welche vertraut wurde, wird aufrechterhalten. z.B.<br />

eine Verfügung bleibt bestehen, eine (fälschlicherweise zu lange angegebene) Frist wird wiederhergestellt, die (angestrebte)<br />

Praxisänderung wird nicht vorgenommen oder es wird die Verbindlichkeit von unrichtigen Auskünften und Zusagen angenommen.<br />

• Entschädigung von Vertrauensschäden: Die Entschädigung wird vor allem dann ausgerichtet, wenn an sich die Voraussetzungen<br />

des Vertrauensschutzes erfüllt wären, die Bindung an die Vertrauensgrundlage aber wegen überwiegenden öffentlichen<br />

Interessen nicht in Frage kommt (Vorbehalt der Interessenabwägung). Wenn das Gemeinwesen auf Regelungen, Entscheide<br />

oder Zusicherungen zulässigerweise zurückkommt, kann es sich rechtfertigen, gewisse durch die Betroffenen gestützt auf das<br />

vertrauensbegründende Verhalten vorgenommene Aufwendungen zu entschädigen.<br />

• Übergangsregelungen: Mit der Festsetzung von Übergangsregelungen und angemessenen Übergangsfristen kann der Gesetzgeber<br />

- aber auch die rechtsanwendende Behörde bei einer beabsichtigten Praxisänderung - dem Vertrauen der Privaten in<br />

den bisherigen Zustand Rechnung tragen.<br />

Im konkreten Fall des Polizeikorps drängt sich die Rechtsfolge einer Übergangsregelung geradezu auf, damit die gegenüberstehenden<br />

öffentlichen und privaten Interessen ausgleichend gewahrt werden können. Konkret wurde eine Übergangsfrist von 2<br />

Jahren gewährt.<br />

Nicht geeignet für eine Vertrauensgrundlage sind:<br />

• Rechtssetzungsakte: In der Regel stellen Rechtssetzungsakte keine Vertrauensgrundlage dar. Die Privaten können nicht ohne<br />

Weiteres auf den Fortbestand eines geltenden Gesetzes vertrauen, sondern müssen immer mit der Revision rechnen.<br />

Das Prinzip des Vertrauensschutzes kann aber dann angerufen werden, wenn die Privaten durch eine unvorhersehbare<br />

Rechtsänderung in schwer wiegender Weise in ihren gestützt auf die bisherige gesetzlichen Regelung getätigten Dispositionen<br />

getroffen werden und keine Möglichkeit der Anpassung an die neue Rechtslage haben. Hier ergibt sich aus dem Prinzip<br />

des Vertrauenschutzes u.U. ein Anspruch auf eine angemessene Übergangsregelung.<br />

• Raumpläne: Raumpläne, namentlich Zonenpläne und Bauordnungen können grundsätzlich jederzeit geändert werden. Auf<br />

das Prinzip des Vertrauensschutzes können sich Private nur berufen, wenn das für den Erlass des Raumplanes zuständige Or-<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 24

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