Verwaltungsrecht I - Studentische Organisationen Uni Luzern
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4. Rechtsfolgen des (fehlerhaften) Vertrages?<br />
Die Zulässigkeit des Vertrages ist vorhanden, wenn das Gesetz die Möglichkeit des Vertrages ausdrücklich vorsieht oder<br />
dafür Raum lässt. Zusätzlich muss als kumulative Voraussetzung, ein Bedürfnis der Gesetzeskonkretisierung<br />
durch Vertrag vorhanden sein. Der Vertrag muss für die Regelung eines Rechtsverhältnisses geeigneter erscheinen als eine<br />
Verfügung (z.B. aufgrund der Absicht der Parteien sich gegenseitig und auf Dauer zu binden oder wenn durch Vertrag ein Privater<br />
verpflichtet werden kann, wie dies durch Verfügung nicht möglich wäre) Dies ist natürlich eine auslegungsbedürftige Vorausetzung.<br />
Es darf mit anderen Worten keine abschliessende Regelung vorhanden sein, die den Vertragsschluss unmöglich macht<br />
oder das Bedürfnis nach der Regelung des Sachverhaltes durch eine Verfügung bestehen (z.B. aufgrund der rechtsgleichen Behandlung<br />
17).<br />
I.c. räumt Art. 41 des Kanalisationsreglementes der Gemeinde Birmsdorf ein grosses Ermessen ein. Somit lässt er Raum für<br />
Verträge. Zudem bestehen Motive für die Wahl der Vertragsform: Das gegenseitige Interesse sich langfristig zu binden und der<br />
Klärung einer rechtlichen Unsicherheit durch den Abschluss eines Vergleichsvertrages.<br />
Für die Bestimmung der Rechtsnatur des Vertrages wird auf den Inhalt des Vertrages abgestellt. Liegt ein öffentliches Interesse<br />
am Vertrag vor, so kann man von einem verwaltungsrechtlicher Vertrag sprechen. Wenn lediglich private Interessen für<br />
den Vertrag sprechen, ist dagegen ein privatrechtlicher Vertrag vorliegend.<br />
I.c.handelt es sich bei der Erschliessung von Grundstücken um eine öffentliche Aufgabe. Somit findet sich als Inhalt des Vertrages<br />
mindestens ein öffentliches Interesse. Deswegen kann man vorliegend von einem verwaltungsrechtlichen Vertragsverhältnis<br />
sprechen.<br />
Rechtmässig ist ein Vertrag wenn er nicht fehlerhaft ist. Fehlerhaftigkeit - und somit Unrechtmässigkeit - eines Vertrages<br />
kann sich aufgrund verschiedener Gründe ergeben. Als ursprüngliche Fehler sind denkbar:<br />
• Bewusstes Zusammenwirken (von Behörden und Privaten) zwecks Herbeiführung eines rechtswidrigen Erfolgs.<br />
• Unzulässigkeit der Regelung durch Vertrag (weil die Verfügung geeigneter erscheint)<br />
• formelle Fehler (Unzuständigkeit, Formfehler)<br />
• materielle Fehler (Verstoss gegen zwingendes Recht, Willensmängel)<br />
I.c. macht der Bauherr einen Verstoss gegen zwingendes Recht geltend, weil sein Mehrfamilienhaus nicht “weit ausserhalb” des<br />
Baugebietes liege und somit keine Anschlussgebühr für die Kanalisation fällig ist. I.c. bestehen also verkehrte Fronten, weil sich<br />
normalerweise der Private sich auf den Vertrauensschutz beruft. I.c. stellt sich die Frage, ob sich auch (wie die Privaten) die<br />
Gemeinde sich auf den Vertrauensschutz berufen kann? Das BGer hat in diesem Fall bestimmt, dass der Vertrauensschutz nur<br />
für die Privaten gilt, jedoch der Schutz von Treu und Glauben gemäss Art. 5 BV (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) auch auf<br />
Private anwendbar ist. Der Bauherr muss sich zwar nicht den Vertauenschutz entgegenhalten lassen, jedoch handelt er widersprüchlich<br />
(in dem er plötzlich einen selbst abgeschlossenen Vertrag als gesetzeswidrig auslegt).<br />
Zweites macht der Bauherr i.c. den Willensmangel der Drohung geltend, weil ihm Angst gemacht wurde, dass der Anschluss<br />
nicht erstellt würde, sollte er keine Gebühren bezahlen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine unzulässige Drohung, weil die<br />
Zahlung von Abgaben ja tatsächlich aufgrund des Gesetzes gefordert werden darf, damit die Kanalisation erstellt wird.<br />
Rechtsfolgen des fehlerhaften Vertrages: Verträge können bei einem Verstoss gegen das zwingende Recht nur dann für ungültig<br />
erklärt werden, wenn das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung dem Interesse am Vertrauensschutz überwiegt. Was bei<br />
verwaltungsrechtlichen Verträgen nur ausnahmsweise der Fall ist, weil das Interesse am Vertrauensschutz als hoch zu bewerten<br />
ist, weil man gerade aufgrund des Bestandesschutzes (und Vertrauensschutzes) einen Vertrag abgeschlossen hatte.<br />
I.c. ist fraglich, ob überhaupt ein fehlerhafter Vertrag vorliegt (verstösst der Vertrag gegen Art. 41 der Gemeindeverordnung?).<br />
Sollte diesbezüglich tatsächlich ein fehlerhafter Vertrag vorliegen, so wird das Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages<br />
sicherlich dem Interesse der richtigen Rechtsanwendung überwiegen. Das Gericht wird den Vertrag nicht umstürzen.<br />
21. Juni 2006<br />
17 Gerade hinsichtlich dieses Argumentes lehnte die frühere Lehre verwaltungsrechtliche Verträge grundsätzlich ab.<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong> I: Zusammenfassung Seite 35