Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und ... - Familientext.de
3.3.1
3.3 Belastungen und Ressourcen
3.3.1 Missglückte Copingstrategien und Selbstwertprobleme
Die am Forschungsprojekt »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft« beteiligten
Kinder, die sich infolge der anhaltenden Konflikte sehr belastet fühlten,
waren in umfassender Weise auch in verschiedenen Bereichen der Persönlichkeitsentwicklung
beeinträchtigt. Es konnten Belastungen bei Persönlichkeitsmerkmalen,
im individuellen Befinden der Kinder, im Stresserleben und in der
Stressbewältigung nachgewiesen werden.
Hinweis:
Betrachtet man die Ergebnisse der Forschungsstudie genauer, so wird deutlich,
dass diese Kinder zu einer erhöhten emotionalen Erregbarkeit neigen und
andere Kinder oftmals positiver wahrnehmen als sich selbst. Zudem zeigen
sie ein größeres Bedürfnis nach Ich-Durchsetzung, verhalten sich häufiger oppositionell
bzw. aggressiv und fühlen sich ihren Eltern weniger verbunden.
Identifiziert wurden also sowohl internalisierende wie externalisierende Auffälligkeiten.
Da verwundert es nicht, dass sich die Kinder in der Familie wenig wertgeschätzt
fühlen und häufig zu Selbstwertproblemen sowie Trennungs- und
Verlustangst neigen. Im Ergebnis leiden die Kinder vermehrt unter aktuellem
Stress, auf den sie in der Regel mit physischen Stresssymptomen reagieren.
Denn sie können diesen Stress mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln
nicht selbst reduzieren. Sie versuchen zwar, alle ihnen zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten einer Stressbewältigung zu nutzen, sind aber zu einer
angemessenen Auswahl nicht in der Lage. So kommt es häufig zu inadäquaten
emotionsbezogenen Versuchen, den Stress zu bewältigen.
Hinzu kommt: Kinder aus hochkonflikthaften Familiensystemen konzentrieren
sich – wie bereits angemerkt – vornehmlich auf die emotionalen Befindlichkeiten
und Bedürfnisse ihrer Eltern. Eine derartige Fokussierung auf
die (irritierende) elterliche Emotionalität führt dazu, dass sie das eigene Befinden
und die eigene Bedürfnislage aus den Augen verlieren. Sie werden unsicher
gegenüber anderen und ebenso unsicher gegenüber den eigenen Gefühlen.
An dieser Stelle sei auf einen weiteren wichtigen Aspekt hingewiesen: Manche
Kinder können durch die anhaltende Uneinigkeit ihrer Eltern eine bedenkliche
Rolle im Konflikt erlangen. Sie erhalten Macht zur Manipulation durch
mangelnde Grenzsetzung der auf den Konflikt fokussierten Eltern und beginnen
durch Parteiübernahme (Allianzen) im Konflikt zu agieren. Kurzfristig
mag diese Strategie für die Kinder scheinbar einen Gewinn bringen. Langfristig
betrachtet ist allerdings festzuhalten, dass die Kinder lernen, Beziehungen
zu manipulieren. Sie werden letztlich in der Entwicklung von Fähigkeiten zur
konstruktiven Konfliktlösung und Beziehungsgestaltung behindert.
24 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis