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Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts

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Sonderbeitrag Klimapolitik als menschliche Entwicklung (Fortsetzung)<br />

<strong>Die</strong>se positive Anerkennung ändert natürlich nichts an der<br />

bedeutsamen Tatsache, dass der Prozess der wirtschaftlichen und<br />

sozialen Entwicklung in zahlreichen Fällen auch sehr zerstörerische<br />

Folgen haben kann. <strong>Die</strong>se schädlichen Effekte müssen klar benannt<br />

und entschlossen abgewehrt werden, während gleichzeitig die positiven<br />

und konstruktiven Beiträge der Entwicklung gestärkt werden<br />

müssen. Zwar können zahlreiche menschliche Aktivitäten, die mit<br />

dem Prozess der Entwicklung einhergehen, zerstörerisch wirken,<br />

aber es liegt auch in der Macht der Menschen, Widerstand zu leisten<br />

und durch rechtzeitiges Handeln viele dieser negativen Folgen rückgängig<br />

zu machen.<br />

Wenn wir darüber nachdenken, durch welche Schritte die<br />

Umweltzerstörung aufzuhalten ist, müssen wir nach konstruktiven<br />

Interventionsmöglichkeiten suchen. So kann beispielsweise eine Verstärkung<br />

der Bildung- und Beschäftigungschancen für Frauen und<br />

Mädchen zu einer Senkung der Fertilitätsraten beitragen, sodass sich<br />

langfristig der zu globaler Erwärmung und zunehmender Zerstörung<br />

natürlicher Lebensräume führende Druck verringert. In ähnlicher Weise<br />

kann die Ausweitung von Schulbildung und die Verbesserung ihrer<br />

Qualität unser Umweltbewusstsein schärfen. Eine bessere Kommunikation<br />

und eine reichere Medienvielfalt können uns die Notwendigkeit<br />

eines umweltorientierten Denkens stärker bewusst machen.<br />

Auf jeden Fall ist die Mitwirkung der Öffentlichkeit an der Sicherstellung<br />

der ökologischen Nachhaltigkeit unverzichtbar. Ebenso entscheidend<br />

ist es, wichtige Bewertungsfragen, die Nachdenken und<br />

gesellschaftliche Beratungsprozesse erfordern, nicht auf technokratische,<br />

durch die Berechnung von Formeln zu lösende Aspekte<br />

einzuengen. Nehmen wir als Beispiel die laufende Debatte darüber,<br />

welcher „Diskontierungssatz“ verwendet werden sollte, um die Opfer,<br />

die wir heute bringen müssen, gegen künftige Sicherheit aufzuwiegen.<br />

Ein zentraler Aspekt einer solchen Diskontierung ist die gesellschaftliche<br />

Bewertung von Gewinnen und Verlusten im Zeitverlauf.<br />

Letztendlich ist dies eine Aufgabe, die tiefgreifende Überlegungen<br />

erfordert und der öffentlichen Erörterung bedarf, und keine, die sich<br />

Zunahme klimabedingter Katastrophen.<br />

Zwischen 2000 und 2004 waren davon<br />

rund 262 Millionen Menschen betroffen,<br />

von denen über 98 Prozent in Entwicklungsländern<br />

leben. Bei einem Temperaturanstieg<br />

um mehr als zwei Grad Celsius werden<br />

über den erwärmten Meeren noch heftigere<br />

tropische Wirbelstürme entstehen.<br />

Immer größere Gebiete werden von Dürren<br />

getroffen werden, die Existenzgrundlagen<br />

gefährden und die Fortschritte im Gesundheits-<br />

und Ernährungsbereich beeinträchtigen.<br />

<strong>Die</strong> Welt <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong> muss<br />

sich darauf einstellen, dass es auf Grund der<br />

in der Vergangenheit produzierten Emissionen<br />

auf jeden Fall zu einem Anstieg <strong>des</strong><br />

für eine mechanische Lösung auf Grund einer einfachen Formel eignet.<br />

<strong>Die</strong> wohl erkennbarste Sorge entstammt der Ungewissheit, die<br />

unausweichlich mit jeder Prognose einhergeht. Einer der Gründe,<br />

warum auf die Zukunft gerichtete „beste Schätzungen“ mit Vorsicht<br />

zu behandeln sind, ist die Aussicht, dass wir im Falle eines Irrtums<br />

schließlich in einer höchst ungemütlichen Welt leben würden. Es gibt<br />

sogar Befürchtungen, dass das, was heute noch zu verhindern ist,<br />

praktisch irreversibel wird, wenn nicht unverzüglich Vorbeugungsmaßnahmen<br />

ergriffen werden, ganz ungeachtet <strong>des</strong>sen, wie viel die<br />

künftigen Generationen aufzuwenden bereit wären, um die Katastrophe<br />

umzukehren. Besonders nachteilig könnten sich solche kritischen<br />

Situationen für die Entwicklungsländer auswirken (wenn zum<br />

Beispiel Teile Bangla<strong>des</strong>chs oder der ganze Malediven-Archipel<br />

durch den Anstieg <strong>des</strong> Meeresspiegels überflutet würden).<br />

<strong>Die</strong>s sind außerordentlich wichtige Fragen, die in der Öffentlichkeit<br />

behandelt und erörtert werden müssen, und der Aufbau eines<br />

solchen öffentlichen Dialogs ist ein wichtiger Teil <strong>des</strong> Konzepts der<br />

menschlichen Entwicklung. <strong>Die</strong> öffentliche Erörterung ist für die Auseinandersetzung<br />

mit dem Klimawandel und der Gefahr für die Umwelt<br />

ebenso notwendig und wichtig wie für die Auseinandersetzung mit<br />

den traditionelleren Problemen von Benachteiligung und fortbestehender<br />

Armut. Was uns als menschliche Wesen vielleicht stärker als<br />

alles andere auszeichnet, ist unsere Fähigkeit, nachzudenken und<br />

miteinander zu sprechen, zu beschließen, was getan werden muss<br />

und dies dann auch zu tun. Wir müssen diese zutiefst menschliche<br />

Fähigkeit ebenso gut für eine wohlbegründete Bewahrung der<br />

Umwelt nutzen wie für die koordinierte Beseitigung der herkömmlichen<br />

Armut und Benachteiligung. Bei beidem geht es um menschliche<br />

Entwicklung.<br />

Meeresspiegels kommt. Eine Temperaturerhöhung<br />

um mehr als zwei Grad Celsius<br />

würde diesen Anstieg beschleunigen und<br />

dadurch in Ländern wie Ägypten, Bangla<strong>des</strong>ch<br />

und Vietnam zur Vertreibung großer<br />

Bevölkerungsgruppen führen sowie verschiedene<br />

kleine Inselstaaten in den Fluten<br />

untergehen lassen. Der Anstieg <strong>des</strong> Meeresspiegels<br />

und die zunehmende Intensität von<br />

Tropenstürmen könnte die Anzahl der<br />

Menschen, die von Überschwemmungen<br />

der Küstengebiete betroffen sind, um 180<br />

bis 230 Millionen ansteigen lassen. 20<br />

• Zusammenbruch von Ökosystemen. Jenseits<br />

der 2°C-Schwelle beschleunigt sich der<br />

prognostizierte Artenschwund. Bei einer<br />

Amartya Sen<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008 37<br />

1<br />

Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>

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