Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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len wir den Wert eines in der Zukunft zusätzlich<br />
konsumierten Dollars gewichten, wenn<br />
sich das Gesamtvolumen <strong>des</strong> Konsums von dem<br />
heutigen unterscheidet? <strong>Die</strong> meisten Menschen,<br />
die den künftigen Generationen das gleiche<br />
ethische Gewicht zuerkennen wollen, würden<br />
der Aussage zustimmen, dass bei höherem<br />
Wohlstand dieser Generationen ihr zusätzlicher<br />
Konsum geringer zu bewerten wäre als<br />
heute. Bei langfristig steigendem Einkommen<br />
stellt sich die Frage nach dem Wert eines<br />
zusätzlichen Dollars. Wie hoch wir den steigenden<br />
Konsum in der Zukunft diskontieren,<br />
hängt von der sozialen Präferenz ab, das heißt<br />
dem Wert, der dem zusätzlichen Dollar beigemessen<br />
wird. <strong>Die</strong> Kritiker <strong>des</strong> Stern-Berichts<br />
argumentierten, er habe einen zu niedrigen<br />
Parameter gewählt, was wiederum einen in<br />
ihren Augen unrealistisch niedrigen Gesamtdiskontierungssatz<br />
zur Folge habe. Im Unterschied<br />
zu den auf die reine Zeitpräferenz bezogenen<br />
Problemen geht es bei diesem Teil der<br />
Debatte um Fragen, die sich aus den Prognosen<br />
für Wachstumsszenarien unter Bedingungen<br />
hoher Unsicherheit ergeben.<br />
Wäre die Welt ein einziges Land, das sich<br />
aus ethischen Gründen um die Zukunft seiner<br />
Bürger sorgt, dann müsste es sich durch hohe<br />
Investitionen in den Klimaschutz gegen Katastrophenrisiken<br />
absichern. In der realen Welt<br />
werden sich die Kosten für aufgeschobene<br />
Schutzmaßnahmen nicht gleichmäßig auf die<br />
Länder und Menschen verteilen. <strong>Die</strong> sozialen<br />
und wirtschaftlichen Folgen <strong>des</strong> Klimawandels<br />
werden die ärmsten Länder und ihre schutzlosesten<br />
Bürger sehr viel stärker zu spüren bekommen.<br />
<strong>Die</strong> menschliche Entwicklung betreffende<br />
Verteilungsaspekte verstärken die Begründung<br />
für ein rasches Handeln nachdrücklich. Tatsächlich<br />
sind sie ein entscheidend wichtiger<br />
Teil dieser Begründung. <strong>Die</strong>ser Punkt wird von<br />
denjenigen, die über Diskontierungssätze in<br />
„Eine-Welt“-Modellen streiten, weitgehend<br />
ignoriert.<br />
Globale Kosten-Nutzen-Analysen ohne<br />
Gewichtung der Verteilung können in den<br />
Denkansätzen zum Klimawandel die eigentlichen<br />
Probleme verdecken. Geringfügige Auswirkungen<br />
auf die Wirtschaftslage reicher Län-<br />
der (oder reicher Menschen) schlagen in der<br />
Kosten-Nutzen-Bilanz stärker zu Buche, eben<br />
weil sie reicher sind. <strong>Die</strong>ser Punkt lässt sich an<br />
einem einfachen Beispiel deutlich machen.<br />
Wenn die 2,6 Milliarden ärmsten Menschen<br />
der Welt eine Verringerung ihres Einkommens<br />
um 20 Prozent hinnehmen müssten, würde das<br />
Welt-BIP pro Kopf um weniger als ein Prozent<br />
zurückgehen. Entsprechend gilt, dass eine Halbierung<br />
<strong>des</strong> Einkommens der ärmsten 28 Millionen<br />
Menschen in Äthiopien wegen einer<br />
durch Klimawandel verursachten Dürre in der<br />
Weltbilanz kaum wahrgenommen würde: Das<br />
Welt-BIP würde um ganze 0,003 Prozent fallen.<br />
Problematisch sind auch die von Kosten-<br />
Nutzen-Analysen nicht erfassten Dimensionen.<br />
Der Wert, den wir Dingen zumessen, die<br />
in sich wichtig sind, ist nicht ohne weiteres in<br />
Marktpreisen zu erfassen (Kasten 1.5).<br />
In den Begründungen für Klimaschutzmaßnahmen<br />
werden unumgängliche Verteilungsaspekte<br />
häufig übersehen. Wie schon bei der<br />
umfassenderen Debatte über die Diskontierung<br />
muss die Gewichtung der Konsumgewinne und<br />
-verluste für Menschen und Länder mit unterschiedlichem<br />
Einkommensniveau ausdrücklich<br />
berücksichtigt werden. Zwischen Fragen, die<br />
die intergenerative Verteilung betreffen, und<br />
solchen, die sich auf die Verteilung innerhalb<br />
der Bevölkerung der Gegenwart beziehen,<br />
besteht jedoch ein entscheidender Unterschied.<br />
Im ersten Fall ist es die Notwendigkeit der<br />
Absicherung gegen ungewisse, aber potenziell<br />
katastrophale Risiken, die für einen ambitionierten<br />
Klimaschutz spricht. Im zweiten Fall,<br />
also der Einkommensverteilung in der Gegenwart,<br />
liegt die Begründung in den mit Gewissheit<br />
zu erwartenden Kosten <strong>des</strong> Klimawandels,<br />
die die Existenzgrundlagen der ärmsten Menschen<br />
der Welt beeinträchtigen werden. 95<br />
<strong>Die</strong> Frage nach Verteilungsergebnissen zwischen<br />
Ländern und Menschen auf sehr unterschiedlichen<br />
Entwicklungsstufen beschränkt<br />
sich nicht auf den Klimaschutz. Heute ergriffene<br />
Schutzmaßnahmen werden die menschliche<br />
Entwicklung stetig verbessern, mit einer Verstärkung<br />
der positiven Auswirkungen in der<br />
zweiten Hälfte <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>. Ohne<br />
rasche Klimaschutzschutzmaßnahmen werden<br />
In der realen Welt<br />
werden sich die Kosten<br />
für aufgeschobene<br />
Schutzmaßnahmen nicht<br />
gleichmäßig auf die Länder<br />
und Menschen verteilen<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008 79<br />
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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>