Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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Kasten 1.3 Entwickelte Länder bei Kyoto-Verpflichtungen im Rückstand<br />
Das Kyoto-Protokoll war der erste Schritt einer multilateralen<br />
Antwort auf den Klimawandel. Es legte bis 2010-2012 zu erreichende<br />
Zielvorgaben für die Senkung der Treibhausgasemissionen gegenüber<br />
dem Niveau von 1990 fest. Inzwischen haben die Regierungen<br />
Verhandlungen über den multilateralen Rahmen nach 2012 eingeleitet,<br />
der auf der laufenden Verpflichtungsperiode aufbauen soll. Es ist<br />
daher wichtig, aus den gewonnenen Erfahrungen zu lernen.<br />
Dabei zeichnen sich drei besonders wichtige Erkenntnisse ab.<br />
<strong>Die</strong> erste lautet, dass die Höhe der Ambitionen von Bedeutung ist. <strong>Die</strong><br />
für den ersten Verpflichtungszeitraum beschlossenen Zielvorgaben<br />
waren mit einem durchschnittlichen Reduktionsziel von etwa fünf<br />
Prozent für die entwickelten Länder relativ bescheiden. <strong>Die</strong> zweite<br />
Erkenntnis ist, dass es auf bindende Zielvorgaben ankommt. <strong>Die</strong><br />
meisten Länder sind hinsichtlich der Erfüllung ihrer Kyoto-Verpflichtungen<br />
nicht auf Kurs. <strong>Die</strong> dritte Erkenntnis lautet, dass der multilaterale<br />
Rahmen alle wichtigen Emissionsländer einbeziehen muss.<br />
Das jetzige Protokoll wurde von zwei großen entwickelten Ländern –<br />
Australien und den Vereinigten Staaten – zwar unterzeichnet, aber<br />
nicht ratifiziert, sodass sie von den Zielvorgaben ausgenommen sind.<br />
Es gibt auch keine quantitativen Zielvorgaben für Entwicklungsländer.<br />
Für ein endgültiges Urteil über die Ergebnisse <strong>des</strong> Kyoto-Protokolls<br />
ist es zwar noch zu früh, aber die bisherigen Leistungen bei den<br />
Emissionen (ohne Landnutzungsänderungen) sind nicht ermutigend.<br />
<strong>Die</strong> meisten der 68 Länder sind nicht auf Kurs. Außerdem hat sich der<br />
Emissionsanstieg seit 2000 verstärkt.<br />
Hier einige vorläufige Ergebnisse:<br />
• <strong>Die</strong> Europäische Union verpflichtete sich im Kyoto-Protokoll zu<br />
einer durchschnittlichen Emissionsminderung von acht Prozent.<br />
<strong>Die</strong> tatsächlichen Reduktionen betrugen weniger als ein Prozent,<br />
und dieses Bild wird sich nach den Prognosen der Europäischen<br />
Umweltagentur angesichts der derzeit verfolgten Politik bis 2010<br />
nicht ändern. <strong>Die</strong> Emissionen im Verkehrssektor stiegen um ein<br />
Viertel. <strong>Die</strong> durch Strom- und Wärmeerzeugung verursachten<br />
Emissionen erhöhten sich um sechs Prozent. Um die Kyoto-Zielvorgaben<br />
zu erreichen, müsste die Versorgung mit erneuerbaren<br />
Energien erheblich gesteigert werden, aber die EU ist bei den notwendigen<br />
Investitionen zur Erfüllung <strong>des</strong> von ihr selbst gesetzten<br />
Ziels – Erhöhung <strong>des</strong> Anteils der erneuerbaren Energien an der<br />
Stromversorgung auf 20 Prozent – im Rückstand.<br />
• Das Vereinigte Königreich hat seine Kyoto-Zielvorgabe einer<br />
zwölfprozentigen Emissionsreduktion bereits überschritten, wird<br />
jedoch die nationale Zielvorgabe, die Emissionen gegenüber<br />
1990 um 20 Prozent zu senken, nicht erreichen. Der größte Teil<br />
der Reduzierung erfolgte vor 2000 als Ergebnis von Maßnahmen<br />
zur Umstrukturierung der Industrie und zur Marktliberalisierung,<br />
die zur Umstellung von CO2-intensiver Kohle auf Erdgas führten.<br />
2005 und 2006 stiegen die Emissionen auf Grund von Verlagerungen<br />
von Erdgas und Kernkraft zu Kohle erneut an (<strong>Kapitel</strong> 3).<br />
• <strong>Die</strong> Emissionen Deutschlands lagen 2004 17 Prozent unter dem<br />
Niveau von 1990. In dieser Zahl spiegeln sich der starke Emissionsrückgang<br />
zwischen 1990 und 1995 im Gefolge der Wiedervereinigung<br />
und der Umstrukturierung der Industrie in Ost-<br />
deutschland (über 80 Prozent der Gesamtreduktion) sowie ein<br />
Emissionsrückgang im Wohnungssektor.<br />
• Italien und Spanien sind weit davon entfernt, ihre Kyoto-Zielvorgaben<br />
zu erreichen. In Spanien stiegen die Emissionen seit 1990<br />
um fast 50 Prozent, bedingt durch ein starkes Wirtschaftswachstum<br />
und eine verstärkte Nutzung von Kohlestrom nach Dürren. In<br />
Italien war der Verkehrssektor der Hauptverursacher erhöhter<br />
Emissionen.<br />
• Kanada erklärte sich im Kyoto-Protokoll dazu bereit, eine Senkung<br />
der Emissionen um sechs Prozent anzustreben. Tatsächlich<br />
sind die Emissionen jedoch um 27 Prozent gestiegen und das<br />
Land liegt nun rund 35 Prozent über dem Kyoto-Reduktionsziel.<br />
Zwar ging die Treibhausgasintensität zurück, aber die Effizienzgewinne<br />
wurden durch steigende Emissionen aus der Ausweitung<br />
der Öl- und Gasproduktion wettgemacht. <strong>Die</strong> Nettoemissionen<br />
im Gefolge von Öl- und Gasexporten haben sich seit 1990<br />
mehr als verdoppelt.<br />
• <strong>Die</strong> Emissionen Japans lagen 2005 acht Prozent über dem<br />
Niveau von 1990. <strong>Die</strong> Kyoto-Zielvorgabe sah eine Reduktion um<br />
sechs Prozent vor. Nach gegenwärtigen Trends ist zu erwarten,<br />
dass das Land seine Zielvorgabe um rund 14 Prozent verfehlen<br />
wird. Zwar gingen die Industrieemissionen seit 1990 marginal<br />
zurück, aber im Verkehrssektor wurde ein erheblicher Emissionsanstieg<br />
registriert (50 Prozent bei Passagierfahrzeugen). Auch im<br />
Wohnungssektor nahmen die Emissionen zu. <strong>Die</strong> Haushaltsemissionen<br />
stiegen schneller als die Anzahl der Haushalte.<br />
• <strong>Die</strong> Vereinigten Staaten gehören zwar zu den Unterzeichnern <strong>des</strong><br />
Kyoto-Protokolls, haben jedoch den Vertrag nicht ratifiziert. <strong>Die</strong><br />
Ratifikation hätte sie dazu verpflichtet, ihre Emissionen bis 2010<br />
um sieben Prozent gegenüber 1990 zu senken. Statt<strong>des</strong>sen stiegen<br />
die Gesamtemissionen um 16 Prozent. <strong>Die</strong> für 2010 prognostizierten<br />
Emissionen liegen um 1,8 Gigatonnen über dem<br />
Niveau von 1990 – mit ansteigender Tendenz. In allen wichtigen<br />
Sektoren haben die Emissionen zugenommen, trotz eines<br />
25-prozentigen Rückgangs der Treibhausgasintensität der amerikanischen<br />
Wirtschaft, gemessen am Verhältnis zwischen CO2- Emissionen und BIP.<br />
• Wie die Vereinigten Staaten hat auch Australien das Kyoto-Prokoll<br />
nicht ratifiziert. <strong>Die</strong> Gesamtemissionen stiegen seit 1990 um<br />
21 Prozent, in etwa das Doppelte der Rate, die im Protokoll für<br />
Australien vorgesehen war. Der hohe Anteil der Kohle an der<br />
Stromerzeugung trug zu starken Emissionssteigerungen im Energiesektor<br />
bei, mit einer Zunahme der CO2-Emissionen um über<br />
40 Prozent.<br />
Mit Blick auf die Zeit nach 2012 liegt die <strong>Herausforderung</strong> darin,<br />
eine internationale Vereinbarung auszuarbeiten, die alle wichtigen<br />
Emissionsländer in langfristige Anstrengungen zur Einhaltung eines<br />
nachhaltigen Kohlenstoffbudgets für das <strong>21.</strong> Jahrhundert einbindet.<br />
<strong>Die</strong> Regierungen von heute haben nur geringe Möglichkeiten, signifikante<br />
Auswirkungen auf die Emissionen zwischen 2010 und 2012 zu<br />
erreichen. Energiesysteme sind wie Öltanker – sie lassen sich nur<br />
langsam wenden.<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008 67<br />
1<br />
Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>