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Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts

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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />

72<br />

für manche Länder die Verluste schneller eintreten<br />

als für andere, werden langfristig alle zu<br />

den Verlierern zählen, da die künftigen Generationen<br />

erhöhten Katastrophenrisiken ausgesetzt<br />

sein werden.<br />

Im 4. Jahrhundert v. Chr. schrieb Aristoteles,<br />

dass auf die Güter, über die die größte Zahl<br />

von Menschen gemeinsam verfügen, die<br />

geringste Sorgfalt verwendet wird. Er hätte<br />

damit die Erdatmosphäre und die fehlende<br />

Sorgfalt meinen können, die wir der Fähigkeit<br />

unseres Planeten zur Aufnahme von Kohlenstoff<br />

angedeihen lassen. Um die Voraussetzungen<br />

für Veränderungen zu schaffen, bedarf es<br />

einer neuen Denkweise über die menschliche<br />

Sonderbeitrag Unsere gemeinsame Zukunft und der Klimawandel<br />

Nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der heutigen<br />

Generation zu befriedigen, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen<br />

zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen.<br />

Darüber hinaus geht es aber auch um soziale Gerechtigkeit, Ausgewogenheit<br />

und die Achtung der Menschenrechte künftiger Generationen.<br />

Zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit ich das Privileg hatte, den<br />

Vorsitz der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung zu führen.<br />

Der Bericht, der aus unserer Arbeit hervorging, hatte eine einfache<br />

Botschaft, die in seinem Titel, Unsere gemeinsame Zukunft, zum Ausdruck<br />

kam. Nach unserer Auffassung war die Menschheit im Begriff,<br />

die Grenzen der Nachhaltigkeit zu überschreiten und die ökologischen<br />

Aktiva der Welt in einer Weise zu dezimieren, die das Wohlergehen<br />

künftiger Generationen gefährden würde. Es war auch klar,<br />

dass die große Mehrheit der Weltbevölkerung an dieser übermäßigen<br />

Beanspruchung unserer begrenzten Ressourcen nur einen geringen<br />

Anteil hatte. Ungleiche Chancen und eine ungleiche Verteilung bildeten<br />

den Kern der von uns festgestellten Probleme.<br />

Heute ist es der Klimawandel, über den wir uns ausführliche<br />

Gedanken machen müssen. Aber gibt es einen schlagenderen<br />

Beweis dafür, was es bedeutet, auf nicht nachhaltige Weise zu leben?<br />

Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2007/2008<br />

beschreibt ein „Kohlenstoffbudget“ für das <strong>21.</strong> Jahrhundert. Gestützt<br />

auf die genauesten Erkenntnisse der Klimawissenschaft, legt dieses<br />

Budget das Volumen der Treibhausgase fest, die ausgestoßen werden<br />

können, ohne gefährliche Klimaänderungen zu verursachen. Wenn wir<br />

auf unserer gegenwärtigen Emissionsbahn bleiben, wird das Kohlenstoffbudget<br />

für das <strong>21.</strong> Jahrhundert schon in den 2030er Jahren<br />

erschöpft sein. Durch unseren Energieverbrauch häufen wir hohe<br />

ökologische Schulden an, die die künftigen Generationen von uns<br />

erben – und zu deren Begleichung sie nicht in der Lage sein werden.<br />

Der Klimawandel stellt eine Bedrohung dar, die bisher ohne Beispiel<br />

ist. In unmittelbarer Zukunft bedroht er die ärmsten und schutzlosesten<br />

Menschen der Welt, die heute schon mit den Folgen der glo-<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008<br />

Interdependenz in einer Welt, die auf gefährliche<br />

Klimaänderungen mit entsprechenden<br />

Auswirkungen zusteuert.<br />

Verantwortung für das Klima<br />

in einer eng verflochtenen Welt<br />

Das Vorgehen gegen den Klimawandel stellt die<br />

Regierungen vor schwierige Entscheidungen.<br />

Es geht um komplexe Probleme, bei denen<br />

ethische Fragen, die Verteilungsgerechtigkeit<br />

zwischen Generationen und Ländern, wirtschaftliche<br />

und technologische Aspekte sowie<br />

persönliche Verhaltensweisen eine wichtige<br />

Rolle spielen. Politische Handlungskonzepte<br />

balen Erwärmung leben müssen. In unserer ohnehin tief gespaltenen<br />

Welt verschärft die globale Erwärmung die Disparitäten zwischen<br />

Reich und Arm, indem sie den Menschen die Möglichkeit verwehrt,<br />

ihr Leben zu verbessern. Für die Zukunft birgt der Klimawandel das<br />

Risiko einer ökologischen Katastrophe.<br />

Wir sind es den Armen der Welt und den künftigen Generationen<br />

schuldig, entschlossen und schnell zu handeln, um gefährliche Klimaänderungen<br />

aufzuhalten. <strong>Die</strong> gute Nachricht ist, dass es noch nicht<br />

zu spät ist. Noch haben wir eine Chance, aber machen wir uns nichts<br />

vor: <strong>Die</strong> Uhr tickt und die Zeit drängt.<br />

<strong>Die</strong> reichen Staaten müssen Führung zeigen und ihre historische<br />

Verantwortung anerkennen. Ihre Bürger verursachen die stärkste<br />

CO2-Belastung der Erdatmosphäre. Außerdem verfügen sie über die<br />

finanziellen und technischen Möglichkeiten für einschneidende und<br />

schnelle Verringerungen der CO2-Emissionen. Das alles heißt jedoch<br />

nicht, dass der Klimaschutz allein der reichen Welt überlassen bleibt.<br />

Vielmehr gehört es zu den dringendsten Prioritäten, den Entwicklungsländern<br />

durch internationale Zusammenarbeit und Technologietransfer<br />

den Übergang zu Energiesystemen mit geringem CO2-Aus stoß zu ermöglichen.<br />

Heute lehrt uns der Klimawandel auf harte Weise, was wir schon<br />

in Unsere gemeinsame Zukunft zu vermitteln versuchten. Nachhaltigkeit<br />

ist kein abstrakter Gedanke. Es geht darum, ein Gleichgewicht<br />

zwischen dem Planeten und seinen Bewohnern zu finden – ein<br />

Gleichgewicht, das die großen <strong>Herausforderung</strong>en der Armut in<br />

unserer Zeit angeht, während gleichzeitig die Interessen künftiger<br />

Generationen gewahrt werden.<br />

Gro Harlem Brundtland<br />

Vorsitzende der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung<br />

Ehemalige Ministerpräsidentin Norwegens

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