Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />
80<br />
Kasten 1.5 Kosten-Nutzen-Analyse und Klimawandel<br />
<strong>Die</strong> Debatte über Gründe für oder gegen dringende Klimaschutzmaßnahmen<br />
wurde bisher überwiegend unter dem Aspekt der Kosten-<br />
Nutzen-Analyse geführt. Dabei wurden wichtige Probleme aufgeworfen.<br />
Gleichzeitig muss jedoch eingeräumt werden, dass Kosten-<br />
Nutzen-Ansätze ihre Grenzen haben. Sie sind ein wichtiger Rahmen,<br />
der rationale Entscheidungen erleichtert. Im Kontext der Analyse <strong>des</strong><br />
Klimawandels ist dieser Rahmen jedoch stark eingegrenzt und kann<br />
für sich allein grundlegende ethische Probleme nicht lösen.<br />
Eine der Schwierigkeiten bei der Anwendung der Kosten-Nutzen-<br />
Analyse auf den Klimawandel ist der Zeithorizont. Jede Kosten-<br />
Nutzen-Analyse ist eine Unsicherheitsstudie. In Bezug auf den Klimaschutz<br />
ist die Bandbreite der Unsicherheit jedoch sehr groß. <strong>Die</strong> Projektion<br />
von Kosten und Nutzen über einen Zeitraum von zehn oder<br />
20 Jahren kann selbst für einfache Investitionsprojekte wie den Bau<br />
einer Straße problematisch sein. Eine Prognose über 100 Jahre oder<br />
mehr ist eine weitgehend spekulative Übung. Ein Kommentator meinte:<br />
„Der Versuch, Kosten und Nutzen für Klimawandel-Szenarien in<br />
100 Jahren vorherzusagen, ist eher die Kunst einer durch Analogie<br />
inspirierten Vermutung als eine Wissenschaft“.<br />
<strong>Die</strong> grundsätzlichere Frage lautet, was eigentlich gemessen<br />
wird. Veränderungen <strong>des</strong> BIP sind ein Maßstab für die Erfassung<br />
eines wichtigen Aspekts der wirtschaftlichen Gesundheit von<br />
Staaten. Selbst hier gibt es jedoch Einschränkungen. In den Konten<br />
<strong>des</strong> Nationaleinkommens werden Veränderungen <strong>des</strong> Wohlstands<br />
und die Wertminderung <strong>des</strong> zu seiner Hervorbringung eingesetzten<br />
Anlagevermögens registriert. <strong>Die</strong> Kosten von Umweltschäden<br />
oder die Wertminderung ökologischer Aktiva wie Wälder<br />
und Wasserressourcen werden jedoch nicht erfasst. Auf den Klimawandel<br />
bezogen heißt das, dass der durch Energieverbrauch<br />
Quelle: Broome 2006b; Monbiot 2006; Singer 2002; Weitzman 2007.<br />
jedoch die Anstrengungen zur Verringerung<br />
der Armut leiden, mit katastrophalen Folgen<br />
für viele Millionen Menschen. Massive Vertreibungen<br />
auf Grund von Überschwemmungen in<br />
Ländern wie Bangla<strong>des</strong>ch und weit verbreiteter<br />
Hunger auf Grund von Dürren in Afrika südlich<br />
der Sahara sind nur zwei Beispiele.<br />
Gegenwart und Zukunft sind jedoch nicht<br />
klar voneinander abgegrenzt. Der Klimawandel<br />
wirkt sich heute schon auf das Leben der<br />
Armen aus, und die Welt wird trotz aller Bemühungen<br />
um Schutzmaßnahmen weitere Klimaänderungen<br />
nicht vermeiden können. <strong>Die</strong>s<br />
bedeutet, dass Klimaschutz allein keine Garantie<br />
gegen nachteilige Verteilungsergebnisse im<br />
Gefolge <strong>des</strong> Klimawandels bietet. Es bedeutet<br />
auch, dass während der ersten Hälfte <strong>des</strong><br />
<strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong> nicht nur ein ehrgeiziger<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008<br />
erzeugte Wohlstand im Nationaleinkommen berücksichtigt wird, der<br />
mit der Erschöpfung der Kohlenstoffsenken der Erde verbundene<br />
Schaden jedoch nicht.<br />
Der große Psychologe Abraham Maslow sagte einmal: „Wenn du<br />
als einziges Werkzeug einen Hammer hast, erscheint zunächst je<strong>des</strong><br />
Problem wie ein Nagel auszusehen“. Entsprechend würde gelten:<br />
Wenn das einzige Werkzeug zur Messung von Kosten ein Marktpreis<br />
ist, dann könnten Dinge, für die es kein Preisetikett gibt – das Überleben<br />
der Arten, ein sauberer Fluss, ein stehender Wald, die Wildnis<br />
– als wertlos erscheinen. Nicht in Bilanzen erfasste Posten können<br />
unsichtbar werden, obwohl sie für die jetzige und die künftigen Generationen<br />
einen hohen Eigenwert haben. Es gibt bestimmte Dinge, die<br />
kein noch so hoher Geldbetrag zurückbringen kann, wenn sie erst<br />
einmal verloren sind. Und es gibt Dinge, für die sich kein Marktpreis<br />
ermitteln lässt. Wenn die Fragen, die sie betreffen, nur unter dem<br />
Aspekt der Kosten-Nutzen-Analyse gestellt werden, können sie die<br />
falschen Antworten produzieren.<br />
Der Klimawandel wirkt sich in fundamentaler Weise auf das<br />
Verhältnis zwischen Menschen und ökologischen Systemen aus.<br />
Oscar Wilde definierte einen Zyniker als „einen Menschen, der von<br />
allem den Preis und von nichts den Wert kennt.“ Viele der Auswirkungen,<br />
die ein ungebremster Klimawandel mit sich bringen wird, werden<br />
Aspekte <strong>des</strong> menschlichen Lebens und der Umwelt betreffen, die<br />
einen Wert an sich darstellen – und die nicht auf die ökonomische<br />
Dimension eines Bilanzwerts reduziert werden können. <strong>Die</strong>s ist<br />
letztlich der Grund, warum Entscheidungen über Klimaschutzinvestitionen<br />
nicht in gleicher Weise behandelt werden können wie<br />
Investitionsentscheidungen (oder Diskontsätze) für Autos, Industriemaschinen<br />
oder Geschirrspüler.<br />
Klimaschutz, sondern auch die Anpassung an<br />
den Klimawandel hohe Priorität erhalten muss.<br />
Mobilisierung der Öffentlichkeit<br />
Der IPCC und andere Klimaforscher haben<br />
durch ihre Arbeit unser Verständnis der globalen<br />
Erwärmung verbessert. <strong>Die</strong> Debatten über<br />
die ökonomischen Aspekte <strong>des</strong> Klimawandels<br />
haben Entscheidungshilfen zur Ressourcenallokation<br />
geliefert. Letztendlich wird es jedoch die<br />
in der Öffentlichkeit herrschende Sorge sein,<br />
die für einen Wandel in der Politik sorgen wird.<br />
<strong>Die</strong> öffentliche Meinung –<br />
eine Triebkraft für Veränderungen<br />
<strong>Die</strong> öffentliche Meinung spielt auf vielen Ebenen<br />
eine wichtige Rolle. Eine informierte