Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />
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befürworten die Kritiker eine bescheidene<br />
Emissionsminderung in naher Zukunft, gefolgt<br />
von stärkeren Reduktionen auf längere Sicht, in<br />
Kasten 1.4 Verantwortung, Ethik und Religion – gemeinsame Ansätze zum Klimawandel<br />
„Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von<br />
unseren Kindern geliehen“<br />
Indianisches Sprichwort<br />
Das Konzept der Nachhaltigkeit wurde nicht erst auf dem Erdgipfel<br />
von 1992 erfunden. Der Glaube an Werte wie Verantwortung,<br />
Gerechtigkeit zwischen den Generationen und Schutz einer gemeinsamen<br />
Umwelt liegt zahlreichen religiösen und ethischen Systemen<br />
zugrunde. Religionen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum<br />
geht, die durch den Klimawandel aufgeworfenen Probleme deutlich<br />
zu machen.<br />
Sie können auch als Träger von Veränderungen wirken, indem sie<br />
Millionen Menschen auf Grund gemeinsamer Werte dazu mobilisieren,<br />
zugunsten eines fundamentalen moralischen Anliegens aktiv zu<br />
werden. Während Religionen sich in ihrer theologischen oder spirituellen<br />
Interpretation <strong>des</strong> Verantwortungsgedankens unterscheiden, eint<br />
sie die gemeinsame Verpflichtung auf die Kerngrundsätze der intergenerativen<br />
Gerechtigkeit und der Sorge um die Schutzbedürftigen.<br />
In einer Zeit, in der allzu oft religiöse Unterschiede als Ursachen<br />
von Konflikten in den Vordergrund gestellt werden, bietet der Klimawandel<br />
Chancen für interreligiösen Dialog und gemeinsames Handeln.<br />
Religionsführer könnten sich dazu stärker in der Öffentlichkeit<br />
zu Wort melden. Da dies bisher, von einigen bemerkenswerten Ausnahmen<br />
abgesehen, kaum der Fall war, ist über die durch den Klimawandel<br />
aufgeworfenen Probleme nicht ausreichend unter moralischen<br />
Aspekten nachgedacht worden. Das Fundament für interreligiöse<br />
Aktivitäten bilden die grundlegenden Schriften und gegenwärtigen<br />
Lehren der einzelnen Religionen:<br />
• Buddhismus. Der buddhistische Begriff für Individuum lautet<br />
Santana, also Strom. <strong>Die</strong>se Bezeichnung verkörpert den Gedanken<br />
der Verbundenheit zwischen Menschen und ihrer Umwelt<br />
sowie zwischen den Generationen. <strong>Die</strong> buddhistische Lehre<br />
betont die persönliche Verantwortung für die Herbeiführung von<br />
Veränderungen in der Welt durch Änderungen <strong>des</strong> persönlichen<br />
Verhaltens.<br />
• Christentum. Theologen aus einem breiten Spektrum christlicher<br />
Traditionen haben die Frage <strong>des</strong> Klimawandels aufgegriffen. Aus<br />
katholischer Perspektive forderte der Ständige Beobachter <strong>des</strong><br />
Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen einen „ökologischen<br />
Umbau“ und „präzise Verpflichtungen, die das Problem <strong>des</strong><br />
Klimawandels wirksam angehen.“ Der Weltkirchenrat erließ einen<br />
eindringlichen und überzeugenden Handlungsaufruf aus theologischer<br />
Sorge: „<strong>Die</strong> armen und anfälligen Gemeinschaften auf der<br />
Welt und die künftigen Generationen werden am meisten unter<br />
dem Klimawandel leiden... <strong>Die</strong> reichen Staaten verbrauchen mehr<br />
als ihren gerechten Anteil an den globalen Gemeinschaftsgütern.<br />
Sie müssen diese ökologischen Schulden gegenüber anderen<br />
Menschen dadurch begleichen, dass sie sie für die Kosten der<br />
Anpassung an den Klimawandel entschädigen. <strong>Die</strong> Reichen müssen<br />
ihre Emissionen drastisch reduzieren, um sicherzustellen,<br />
Quelle: Basierend auf Krznaric 2007; IFEES 2006; Climate Institute 2006.<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008<br />
der Erwartung, dass die Weltwirtschaft leistungsfähiger<br />
wird und die technologischen<br />
Kapazitäten weiter ausgebaut werden. 86<br />
dass die legitimen Entwicklungsbedürfnisse der Armen der Welt<br />
befriedigt werden könnten.“<br />
• Hinduismus. <strong>Die</strong> Vorstellung von der Natur als etwas Heiligem ist<br />
im Hinduismus tief verwurzelt. Mahatma Gandhi stützte sich auf<br />
traditionelle hinduistische Werte, um die Bedeutung der Gewaltlosigkeit,<br />
der Achtung aller Formen <strong>des</strong> Lebens und der Harmonie<br />
zwischen Mensch und Natur zu unterstreichen. <strong>Die</strong> Idee der<br />
Verantwortung spiegelt sich in Äußerungen <strong>des</strong> Hindu-Glaubens<br />
zur Ökologie wider. So schrieb der spirituelle Führer Swami<br />
Vibudhesha: „<strong>Die</strong>se Generation hat kein Recht, alle Fruchtbarkeit<br />
<strong>des</strong> Bodens aufzubrauchen und den künftigen Generationen ein<br />
unproduktives Land zu hinterlassen.“<br />
• Islam. <strong>Die</strong> wichtigsten Quellen der islamischen Lehre in Bezug<br />
auf die natürliche Umwelt sind der Koran, die Hadith-Sammlungen<br />
– Überlieferungen der Anweisungen und Taten <strong>des</strong> Propheten<br />
– und das islamische Recht (Al-Sharia). Da Menschen als Teil<br />
der Natur betrachtet werden, ist der Widerspruch gegen Verschwendung<br />
und Umweltzerstörung ein häufig wiederkehren<strong>des</strong><br />
Thema in diesen Quellen. Das islamische Recht enthält zahlreiche<br />
Aufforderungen, gemeinsame Umweltressourcen gemeinschaftlich<br />
zu schützen und zu bewahren. Das im Koran enthaltene<br />
Konzept von tawheed (Einheit) verkörpert den Gedanken der<br />
generationenübergreifenden Einheit der Schöpfung. Auch wird<br />
gefordert, die Erde und ihre natürlichen Ressourcen für künftige<br />
Generationen zu bewahren, indem die Menschen als Hüter der<br />
natürlichen Welt handeln. Auf diesen Lehren aufbauend kommentierte<br />
der Australische Rat der Islamischen Räte: „Gott schenkt<br />
den Menschen die Möglichkeit, die Fülle der Natur zu genießen,<br />
unter der strikten Bedingung, dass sie sorgsam mit ihr umgehen<br />
.... <strong>Die</strong> Zeit drängt. <strong>Die</strong> Menschen, die einer Religion angehören,<br />
müssen ihre theologischen Differenzen vergessen und<br />
zusammenarbeiten, um die Welt vor einer Klimakatastrophe zu<br />
schützen.“<br />
• Judentum. Viele der tiefsten Überzeugungen <strong>des</strong> jüdischen Glaubens<br />
stehen in Übereinstimmung mit dem Umweltschutz. Wie ein<br />
Theologe es formulierte, räumt die Torah wohl der Menschheit<br />
einen privilegierten Platz in der Schöpfungsordnung ein, aber<br />
dies ist nicht „die Herrschaft eines Tyrannen“. Auch enthält sie<br />
zahlreiche Gebote, die die Bewahrung der natürlichen Umwelt<br />
betreffen. In Anwendung der jüdischen Philosophie auf den<br />
Klimawandel erklärte die Zentralkonferenz amerikanischer Rabbiner:<br />
„Wir haben die feierliche Verpflichtung, zu tun, was wir vernünftigerweise<br />
können, um Schaden von heutigen und künftigen<br />
Generationen abzuwenden und die Integrität der Schöpfung zu<br />
bewahren ... <strong>Die</strong>s nicht zu tun, obwohl wir über die technischen<br />
Voraussetzungen verfügen – wie im Fall der Technologien für<br />
Energieerzeugung und Verkehr ohne fossile Brennstoffe – ist eine<br />
unverzeihliche Vernachlässigung unserer Verantwortlichkeiten.“