Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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zunächst die Belege für das Abschmelzen der<br />
Eisschilde und den Anstieg <strong>des</strong> Meeresspiegels.<br />
Bisher wurde dieser Anstieg vorrangig durch<br />
die thermische Ausdehnung der Ozeane auf<br />
Grund steigender Temperaturen und nicht<br />
durch schmelzen<strong>des</strong> Eis verursacht – aber das<br />
könnte sich ändern. Für die Menschheit insgesamt<br />
sind das beschleunigte Auseinanderbrechen<br />
und schließliche Verschwinden der Grönländischen<br />
und Westantarktischen Eisschilde<br />
vielleicht die größte aller mit dem Klimawandel<br />
zusammenhängenden Gefahren. Neuere Belege<br />
lassen auf eine Ausdünnung der westantarktischen<br />
Eisschelfe durch das wärmere Wasser<br />
der Ozeane um mehrere Meter pro Jahr schließen.<br />
Das Gebiet Grönlands, in dem im Sommer<br />
das Eis schmilzt, hat sich während der letzten<br />
25 Jahre um mehr als 50 Prozent vergrößert.<br />
<strong>Die</strong> Sorge über das Schicksal der antarktischen<br />
Eisschelfe hat sich verstärkt, seitdem sich das<br />
riesige Larsen-B-Eisschelf 2002 komplett auflöste.<br />
Weitere Eisschelfe brachen in den letzten<br />
Jahren rasch auseinander. 46<br />
Einer der Gründe für die Unsicherheiten<br />
künftiger Entwicklungen liegt darin, dass die<br />
Bildung von Eisschilden zwar sehr lange dauert,<br />
dass sie aber sehr schnell zerfallen können.<br />
Einer der weltweit bekanntesten Klimaforscher,<br />
der bei der Nordamerikanischen Weltraumorganisation<br />
(NASA) arbeitet, vertritt die<br />
Meinung, dass bei einem „Business-as-usual“-<br />
Szenario hinsichtlich <strong>des</strong> Auseinanderbrechens<br />
der Eisschilde im <strong>21.</strong> Jahrhundert noch im selben<br />
Jahrhundert ein Meeresspiegelanstieg von<br />
fünf Metern eintreten könnte. Dabei ist ein<br />
schnelleres Abschmelzen <strong>des</strong> Grönland-Eisschilds<br />
noch nicht berücksichtigt – seine völlige<br />
Auflösung würde den Meeresspiegel um etwa<br />
sieben Meter ansteigen lassen. 47 Den IPCC-<br />
Konsens könnte man als kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner betrachten. In seiner Bewertung<br />
der Risiken und Unsicherheiten hat er jedoch<br />
weder die jüngsten Belege für eine beschleunigte<br />
Eisschmelze noch die Möglichkeit weitreichender,<br />
noch nicht völlig verstandener Wirkungen<br />
auf den Kohlenstoffkreislauf berück-<br />
Kasten 1.1 Rückkopplungseffekte könnten den Klimawandel beschleunigen<br />
<strong>Die</strong> für das <strong>21.</strong> Jahrhundert entwickelten Klimawandelszenarien<br />
könnten durch eine Vielzahl positiver Rückkopplungseffekte beeinflusst<br />
werden. Das hohe Maß an Ungewissheit, das die positiven<br />
Rückkopplungseffekte umgibt, kommt auch in den Projektionen der<br />
IPCC-Szenarien zum Ausdruck.<br />
Beim Auseinanderbrechen der Eisschilde wurden vielfältige Rückkopplungen<br />
beobachtet. Ein Beispiel ist der Albedo-Effekt, der auftritt,<br />
wenn Schnee und Eis zu schmelzen beginnen. Schneebedecktes<br />
Eis reflektiert den größten Teil der auftreffenden Sonnenstrahlung in<br />
den Weltraum zurück. Wenn der Schnee auf der Oberfläche schmilzt,<br />
absorbiert das dunklere nasse Eis mehr Sonnenenergie. Das Schmelzwasser<br />
gräbt sich durch das Eisschild und durchfeuchtet seine Basis,<br />
sodass sich das Abbrechen von Eisbergen in den Ozean beschleunigt.<br />
Durch den Verlust an Masse sinkt die Oberfläche <strong>des</strong> Eisschilds auf<br />
eine niedrigere Höhe, auf der die Temperatur wärmer ist, sodass das<br />
Eis noch schneller schmilzt. Gleichzeitig wird dieser Prozess durch<br />
einen weiteren positiven Rückkopplungseffekt verstärkt, wenn das<br />
sich erwärmende Meerwasser das Schelfeis, das häufig eine Barriere<br />
zwischen Eisschild und Ozean bildet, schmelzen lässt.<br />
Das beschleunigte Auftauen der Permafrostböden in Sibirien im<br />
Gefolge der globalen Erwärmung ist ein weiterer Grund zur Sorge. Dabei<br />
könnten große Mengen von Methan – ein hochwirksames Treibhausgas<br />
– in die Atmosphäre abgegeben werden. <strong>Die</strong>s würde wiederum die<br />
Erwärmung erhöhen und den Permafrost noch schneller auftauen lassen.<br />
Quelle: FAO 2007b; Hansen 2007a, 2007b; Houghton 2005; Nobre 2007; Volpi 2007.<br />
<strong>Die</strong> Wechselwirkung zwischen dem Klimawandel und der Kapazität<br />
der tropischen Regenwälder als Kohlenstoffsenken bildet ein<br />
weiteres Beispiel für die Unsicherheiten hinsichtlich positiver Rückkopplungen.<br />
<strong>Die</strong> Regenwälder sind so etwas wie riesige „Kohlenstoff-<br />
Banken“. Allein in den Bäumen der Amazonas-Region Brasiliens sind<br />
49 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert, weitere sechs Milliarden<br />
Tonnen in den Wäldern Indonesiens. Ein Anstieg der globalen<br />
Temperatur könnte die Klimamuster verändern und dadurch Prozesse<br />
auslösen, die zur Freisetzung großer Mengen von Kohlenstoff aus<br />
diesen Reservoiren führen werden.<br />
Heute schon schrumpfen die Regenwälder durch kommerziellen<br />
Druck, illegalen Holzeinschlag und andere Aktivitäten in alarmierendem<br />
Ausmaß. Bei einem „Business-as-usual“-Szenario prognostizieren<br />
Klimamodelle bis 2100 einen Temperaturanstieg für weite Teile<br />
der Amazonas-Region um vier bis sechs Grad. Forschungen zufolge,<br />
die unter der Schirmherrschaft <strong>des</strong> Nationalen Weltraumforschungsinstituts<br />
Brasiliens durchgeführt wurden, könnten sich dadurch bis zu<br />
30 Prozent <strong>des</strong> Amazonas-Regenwalds in eine Art Trockensavanne<br />
verwandeln. Ein solches Ergebnis würde wiederum die globalen<br />
Nettoemissionen von CO2 in die Höhe treiben. Da Regenwälder min<strong>des</strong>tens<br />
die Hälfte der Niederschläge durch Verdunstung wieder an<br />
die Atmosphäre abgeben, würde eine beschleunigte Entwaldung<br />
auch zu häufigeren und stärkeren Dürren und zur Ausdehnung der<br />
Savannengebiete führen.<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008 47<br />
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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>