Kapitel 1 - Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts
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Klimaschutz: die <strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />
78<br />
<strong>Die</strong> Begründung für rasches<br />
Handeln liegt im Ausmaß<br />
der Katastrophenrisiken,<br />
die mit Klimaänderungen<br />
einhergehen könnten<br />
mit der Zugehörigkeit zu einer menschlichen<br />
Gemeinschaft mit generationsübergreifenden<br />
Bindungen einhergeht. <strong>Die</strong> Anwendung ethischer<br />
Grundsätze ist das vorrangige Instrument,<br />
um zu gewährleisten, dass die Interessen derjenigen,<br />
die nicht auf dem Markt vertreten sind<br />
(künftige Generationen) oder noch kein Mitspracherecht<br />
haben (die Allerjüngsten) bei der<br />
Politikformulierung berücksichtigt werden.<br />
Deshalb muss bei Entscheidungen über Klimaschutzkonzepte<br />
die Frage der Ethik ausdrücklich<br />
und transparent behandelt werden. 92<br />
Unsicherheit, Risiko und<br />
Irreversibilität – Gründe für<br />
eine Versicherung gegen<br />
Katastrophenrisiken<br />
Bei allen Überlegungen darüber, was für und<br />
was gegen schnelle Klimaschutzmaßnahmen<br />
spricht, müssen zunächst die Art und der Zeithorizont<br />
der möglichen Risiken bewertet werden.<br />
Dabei spielt die Unsicherheit eine kritische<br />
Rolle.<br />
Wie in diesem <strong>Kapitel</strong> bereits gezeigt wurde,<br />
ist die Unsicherheit, die den Klimawandel<br />
umgibt, eng mit der Möglichkeit katastrophaler<br />
Ergebnisse verknüpft. In einer Welt, in der<br />
das Überschreiten der 5°C-Schwelle wahrscheinlicher<br />
ist als das Unterschreiten der 2°C-<br />
Schwelle, werden im Zeitverlauf „böse Überraschungen“<br />
von katastrophalem Ausmaß ebenfalls<br />
wahrscheinlicher werden. Wie diese sich<br />
auswirken, ist unsicher. Eine Möglichkeit ist<br />
jedoch das Auseinanderbrechen und Schmelzen<br />
<strong>des</strong> Westantarktischen Eisschilds, mit entsprechenden<br />
Konsequenzen für die menschliche<br />
Besiedlung und die Wirtschaftstätigkeit.<br />
Ein ambitionierter Klimaschutz lässt sich rechtfertigen<br />
als Anzahlung auf eine Versicherung,<br />
die künftige Generationen vor Katastrophenrisiken<br />
schützt. 93<br />
<strong>Die</strong> Begründung für rasches Handeln liegt<br />
im Ausmaß der Katastrophenrisiken, die mit<br />
Klimaänderungen einhergehen könnten. Der<br />
Gedanke, heute zu ergreifende kostspielige<br />
Maßnahmen aufzuschieben, bis mehr Erkenntnisse<br />
vorliegen, findet auf anderen Gebieten<br />
keine Anwendung. In Fragen der nationalen<br />
Verteidigung und der Abwehr von Terrorismus<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2007/2008<br />
zögern Regierungen ja auch nicht, heute Investitionen<br />
zu tätigen, weil sie über den künftigen<br />
Nutzen dieser Investitionen oder die genaue<br />
Natur künftiger Risiken Zweifel haben. Sie<br />
nehmen vielmehr eine Risikoeinschätzung vor<br />
und entscheiden auf Grund der Wahrscheinlichkeitsbilanz,<br />
ob vorbeugende Maßnahmen<br />
zu ergreifen sind, um das Risiko eines schwerwiegenden<br />
künftigen Schadens zu verringern. 94<br />
Sie gewichten also die Kosten, den Nutzen und<br />
die Risiken und versuchen, ihre Bürger gegen<br />
ungewisse, aber potenziell katastrophale Ergebnisse<br />
abzusichern.<br />
<strong>Die</strong> Argumente gegen rasche Klimaschutzmaßnahmen<br />
weisen noch weitere Mängel auf.<br />
Es gibt viele Bereiche der Politik, in denen ein<br />
Konzept <strong>des</strong> Abwartens sinnvoll sein könnte,<br />
aber der Klimawandel gehört nicht dazu. Da die<br />
Anreicherung an Treibhausgasen ein kumulativer<br />
und irreversibler Prozess ist, lassen sich<br />
politische Fehlentscheidungen nicht einfach<br />
korrigieren. Ist eine durch Emissionen verursachte<br />
Konzentration von CO 2 und anderen<br />
Treibhausgasen von beispielsweise 750 ppm<br />
erst einmal erreicht, steht den künftigen Generationen<br />
die Option, sich für eine auf 450 ppm<br />
stabilisierte Welt zu entscheiden, nicht mehr<br />
zur Verfügung. Abzuwarten, ob der Zusammenbruch<br />
<strong>des</strong> Westantarktischen Eisschilds<br />
katastrophale Ergebnisse produziert, führt in<br />
eine Sackgasse: Das auseinander gebrochene Eis<br />
lässt sich nicht mehr auf dem Meeresboden<br />
befestigen. <strong>Die</strong> Irreversibilität <strong>des</strong> Klimawandels<br />
bedeutet, dass für die Anwendung <strong>des</strong> Vorsorgeprinzips<br />
eine hohe Prämie zu zahlen ist.<br />
Angesichts <strong>des</strong> Potenzials wirklich katastrophaler<br />
Auswirkungen auf einem durch hohe<br />
Unsicherheiten gekennzeichneten Gebiet ist<br />
die Anwendung der Grenzanalyse ein sehr restriktiver<br />
Rahmen, um Antworten auf die<br />
<strong>Herausforderung</strong> <strong>des</strong> Klimaschutzes zu formulieren.<br />
Anders gesagt: Eine geringe Wahrscheinlichkeit<br />
eines unendlich hohen Verlustes kann<br />
immer noch ein sehr hohes Risiko darstellen.<br />
Jenseits der „einen Welt“ –<br />
warum Verteilung wichtig ist<br />
Auch über den zweiten Aspekt <strong>des</strong> Diskontierungssatzes<br />
ist viel debattiert worden. Wie sol