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Guter Hoffnung sein 'schwanger sein' wirkt heule eher altmodisch (Duden 11<br />

markiert den Ausdruck als ,.gehoben"), der Ausdruck ist phraseologisiert, wie an der<br />

heute nicht mehr lebendigen Genitivkonstruktion erkennbar ist. Wenn nun in einem<br />

heutigen Text der Genitiv als Nominativ anaphorisch wieder aufgenommen und<br />

damit der Teil gute Hoffnung remotiviert und der ganze Phraseologismus modifiziert<br />

würde, müßte das befremdlich wirken. In den „Wahlverwandtschaften" aber findet<br />

sich eine solche Formulierung an einer sehr dramatischen Stelle der Geschichte, was<br />

darauf hindeutet, daß Hoffnung noch stärker in seiner freien Bedeutung verstanden<br />

wurde:<br />

(Charlotte:) Ich muß glauben, ich muß hoffen, daß sich alles wieder geben, daß<br />

Eduard sich wieder nahem werde. Wie kann es auch wohl anders sein, da Sie mich<br />

guter Hoffnung finden. Versteh ich Sie recht? fiel Minier ein. - Vollkommen,<br />

versetzte Charlotte-Tausendmal gesegnet sei mir diese Nachricht! rief er (...) Mehr<br />

als tausend Worte wirkt eine solche gute Hoffnung, die fürwahr die beste Hoffnung<br />

ist, die wir haben können. (Goethe, Wahlverwandtschaften, 123)<br />

Wir verstehen die Stelle mühelos, aber die Verwendung des Ausdrucks würde<br />

auf uns als Modifikation wirken, was sie im Goethcschen Kontext wohl nicht (oder<br />

nur in schwacher Form) war.<br />

Schon kleine semantische Verschiebungen können die Rezeption eines älteren<br />

Textes beeinträchtigen:<br />

Wir kennen verschiedene Phraseologismen mit der Komponente trocken,<br />

darunter auf dem trockenen sitzen (1. 'seine Reserven aufgebraucht haben, nicht mehr<br />

weiter wissen'; 2. 'nichts mehr zu trinken haben") und sein Schäfchen ins trockene<br />

bringen/ im trockenen haben ('sich [auf Kosten anderer] großen Gewinn, große<br />

Vorteile verschaffen/ verschafft haben').<br />

Daneben gibt es die Ausdrücke mit konkreter Bedeutung auf dein Trock(e)nen/<br />

im Trock(c)nen, die auch phraseologisch, wenn auch nur schwach idiomatisch sind<br />

(die ßedeutungserläuterungen in Duden GW 'auf trockenem, festem Boden, an Land'<br />

bzw. 'an einem trockenen, vor dem Regen geschützten Ort' weisen auf die leichte<br />

kliomatisierung hin).<br />

In der folgenden Stelle aus den „Wahlverwandtschaften" findet sich eine<br />

Formulierung, die uns leicht humoristisch anmutet (die aper sicher nicht so gemeint<br />

ist):<br />

(Der Mann rettet eine Frau, die ins Wasser gesprungen iit, aber nicht<br />

schwimmen kann:) Dort brachte er seine schöne Beute aufs Trockne [d. h. an Land]:<br />

aber kein Lebenshauch war in ihr zu spüren. (Goethe, Wahlverwandtschaften. 208)<br />

Adelung unter „trocken":<br />

Trocken sitzen, im Trockenen sitzen, vor der Nässe bedeckt sitzen<br />

Das für uns Auffällige an der Formulierung ist die Tatsache, daß eine<br />

Kombination von aufs Trockne und bringen konkret gemeint ist, nährend sie heute<br />

kaum anders als übertragen aufzufassen wäre. Zusätzlich werden wir noch<br />

fehlgeleitet durch das Objekt Beute, das uns den Phraseologismus sein Schafchen ins<br />

trockene bringen assoziieren läßt.<br />

Das folgende Beispiel zeigt einen Wandel, der in der Gegenwart noch nicht<br />

abgeschlossen ist:<br />

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