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Willst Du einen solchen [Kaufmann] zu einer milden Gabe oder sonst zu einer<br />

großmütigen Handlung bewegen, so mußt Du entweder seine Eitelkeit mit in das<br />

Spiel bringen, daß es bekannt werde, wieviel dies große Haus an Arme gibt, oder der<br />

Mann muß glauben, daß der Himmel ihm die Gabe hundertfältig vergelten werde;<br />

dann wird es andächtiger Wucher. (Knigge, 368)<br />

Für einen Deutschsprechenden der älteren Generation ist der Phraseologismus<br />

milde Gabe 'Almosen' vielleicht unauffällig, Jüngere hingegen brauchen ihn selber<br />

wohl nur als kommentierend-abschätzige Formel, wenn man ein Angebot als<br />

unzureichend oder minderwertig qualifizieren will. In Knigges Text ist er natürlich<br />

ganz ernst gemeint.<br />

An einem Beispiel, das in unserem Textkorpus bezeugt ist, wollen wir die<br />

ganze Bedeutungsgeschichte eines Ausdrucks verfolgen:<br />

Der Ausdruck vom Leder ziehen (heute 'heftig schimpfen' nach Duden 11)<br />

scheint im 17. Jahrhundert bereits verfestigt zu sein, zunächst aber nur in konkreter,<br />

auf den Kampf bezogener Bedeutung, so z. B. bei Christian Reuter (1696):<br />

O Sapperm., wie zog ich meinen Rückenstreicher auch von Leder und legte<br />

mich in Positur! (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 39)<br />

Ey Sappcrm., wie zog der Kerl mit seinen Capers von Leder! Ich war nun mit<br />

meinen vortrefflichen Hau-Degen, welches ein Rückstreicher war, auch nicht<br />

langsam heraus und über die Capers mit her. (Ch. Reuter, Schelmuflsky, 114)<br />

Auch im 18. Jh. scheint es sich noch so zu verhalten, wie der Eintrag bei<br />

Adelung (unter Leder) zeigt:<br />

In der R.A. von Leder ziehen, d. i. den Degen ziehen, scheint es die lederne<br />

Scheide oder auch das lederne Degengehenk zu bezeichnen.<br />

Im „Kohlhaas" finden wir genau diese Verwendung:<br />

(...) so folgte ihm der Kämmerer von hinten, riß ihm den Hut ab (...), zog,<br />

nachdem er den Hut mit Füßen getreten, vom Leder, und jagte den Knecht mit<br />

wütenden Hieben der Klinge augenblicklich vom Platz weg und aus seinen Diensten.<br />

(Kleist. 67)<br />

Seit wann aber ist der Ausdruck übertragen verwendet worden?<br />

DW (1885) bringt keine expliziten Belege für übertragene Verwendung und<br />

auch keinen entsprechenden Bedeutungspunkt, wohl aber einen Beleg von Jean Paul,<br />

der auf den möglichen Beginn der metaphorische! Verwendung hindeutet. Zugleich<br />

belegt er die morphologische Veränderung von artikelloser (von leder) zu<br />

artikelhaltiger Form (vom leder), wie sie heute noch üblich ist:<br />

wir (Deutsche) ziehen in büchern keck vom leder und zeigen, wo uns das herz<br />

sitzt (J. Paul)<br />

Diesen Beleg zitiert auch Röhrich. Ob der Jean Paul-Bel ;g aber das erste<br />

greifbare Zeugnis für die neue Verwendung ist und ob er auf den prototypischen<br />

Kontext hinweist, innerhalb dessen die Übertragung stattgefunden haben könnte, läßt<br />

sich ohne weitere Quellenstudien nicht ausmachen.<br />

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