Kontakt 36 - Dominikaner
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mals die Wissenschaftssprache. Ich<br />
habe dann auch Armenisch am Bibelinstitut<br />
und vatikanische Diplomatik<br />
gelernt. Nach Abschluss meiner Studien<br />
bin ich dann nach Santa Sabina<br />
ans Historische Institut gegangen.<br />
Sie waren später ja auch Professor<br />
am Angelicum.<br />
Erst wollte man mich an unserer<br />
Hochschule nicht, weil ich bei Jesuiten<br />
studiert hatte, das war ein<br />
Sündenfall. Dann hatte man plötzlich<br />
einen Engpass und brauchte einen<br />
Professor für Patrologie. Und<br />
so habe ich dort angefangen. Später<br />
bin ich dann außerdem dreieinhalb<br />
Jahre Direktor des Görres-Instituts<br />
in Rom geworden; das war eine sehr<br />
erfolgreiche Zeit.<br />
Wie sind Sie an die Heiligsprechungs-<br />
Kongregation gekommen?<br />
Ich war dort erst Konsultor, also ein<br />
Externer, der Gutachten schreibt.<br />
Ich habe dann gleich knifflige Causen<br />
(Fälle) bekommen, wie die des<br />
Gründers der Barmherzigen Brüder<br />
von Trier. Irgendwann hat dann der<br />
Untersekretär mich als Relator vorgeschlagen,<br />
also als Untersuchungsrichter.<br />
Ich hatte zwar viele Gegner,<br />
aber der Präfekt wollte es und auch<br />
der Kardinal Stickler: 1990 bin ich<br />
dann Generalrelator geworden.<br />
Wissen Sie denn, wieviele Causen<br />
Sie hatten?<br />
Nein, das weiß ich nicht. Ich hatte<br />
zeitweise 180 Causen gleichzeitig. Ich<br />
komme so auf etwa zwanzig Heilige.<br />
Ich muss schon sagen: Ich habe auf<br />
diesem Gebiet einen enormen Erfolg<br />
gehabt. Diese Arbeit ist sehr verantwortungsvoll,<br />
aber man darf auch<br />
nicht zu brutal sein: Ein Fehler, den<br />
viele Konsultoren machen. Man muss<br />
immer darauf aus sein, den Menschen<br />
zu helfen. So ein Seliger oder Heiliger<br />
ist ja manchmal das einzige, was die<br />
Christen in fernen Ländern haben.<br />
Da sind die dann, vor allem wenn sie<br />
eine Minderheit sind, sehr stolz auf<br />
„ihren“ Heiligen.<br />
Wie kann man sich die Arbeit vorstellen?<br />
Das läuft immer über die Bistümer.<br />
Die erste Phase der Untersuchungen<br />
findet immer vor Ort statt. Hier in<br />
Rom wird der Prozess dann weitergeführt.<br />
Viele – gerade Schwestern,<br />
die ihre Ordensgründerinnen seligsprechen<br />
lassen wollen – haben ja<br />
unglaubliche Angst, wie das da im<br />
Vatikan läuft …<br />
Muss man denn Angst haben?<br />
Bei mir nicht! In 25 Jahren ist niemals<br />
eine Generaloberin heulend aus dem<br />
Büro gerannt! Ich sage immer: Man<br />
muss auch nett sein, wenn man Nein<br />
sagt.<br />
Können Sie etwas zur Causa von<br />
Titus Horten sagen?<br />
Also die steht ganz gut. Ich habe viele<br />
Untersuchungen anstellen lassen, und<br />
die Arbeiten sind alle abgeschlossen.<br />
Ich muss sagen, mir ist der Titus sehr<br />
ans Herz gewachsen. Eigentlich war<br />
er das immer schon: Ohne ihn hätte<br />
ich keinen Doktor mit „summa cum<br />
laude“ gemacht. Ich habe erst vor wenigen<br />
Tagen gehört, mit dem Wunder<br />
steht’s ganz gut.<br />
Interview<br />
Wie sehen Sie die Entwicklung des<br />
Ordens, seitdem Sie eingetreten<br />
sind?<br />
In letzter Zeit scheint sich ja einiges<br />
zum Besseren zu wenden. Aber es<br />
ist in den vergangenen Jahrzehnten<br />
zu viel kaputt gegangen. Dafür sind<br />
auch wir verantwortlich. Das kann<br />
man nicht alles auf historische Umstände<br />
oder den Zeitgeist zurückführen.<br />
Schlimm ist auch, dass die Leute<br />
keinen Thomas mehr studieren. Das<br />
wichtigste wäre, wieder ein eigenes<br />
Studienhaus einzurichten.<br />
Was hat Sie die Jahre hindurch getragen?<br />
Ich habe immer geglaubt, ich hätte<br />
irgendwie eine Sendung. Ich habe<br />
mir immer einen Schreibtisch im<br />
Vatikan gewünscht. Und den hatte<br />
ich ja. Forschungen würde ich auch<br />
wieder machen. Ich schreibe jetzt ein<br />
Buch über die Theologie der Wunder,<br />
aber in Englisch. Denn in Amerika ist<br />
da – anders als in Deutschland – ein<br />
großes Interesse vorhanden.<br />
Und geistlich?<br />
Ich glaube da hab’ ich viel von meinem<br />
Vater gelernt. Der war sehr gläubig<br />
und ging gerne auf Wallfahrten und<br />
zugleich war er nüchtern. Das war<br />
eine katholische Gläubigkeit ohne<br />
Spießertum.<br />
Frater Ambrosius Eßer war bis 2008 Generalrelator<br />
der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen<br />
in Rom. Das Gespräch führte<br />
Fr. Max Cappabianca am 23. Juli 2008 in den<br />
Räumen der Kongregation.<br />
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