COPD - Nationale VersorgungsLeitlinien
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H 14. Hintergrund und Evidenz zu Kapitel 14: Berufsbedingte <strong>COPD</strong><br />
Berufliche Noxen können unter verschiedenen Konstellationen geeignet sein, eine chronisch obstruktive<br />
Bronchitis bzw. ein Lungenemphysem hervorzurufen. Dieses ereignet sich meist im Gefolge einer<br />
berufsbedingten Bronchitis. An einer Reihe von Arbeitsplätzen kam und kommt es unter ungünstigen<br />
lüftungstechnischen Verhältnissen bei Überschreitung gültiger Grenzwerte gehäuft zu Bronchitiden. Eine<br />
allgemein akzeptierte Kategorisierung der berufsbedingten Bronchitis gibt es nicht.<br />
Berufsbedingte Atemwegserkrankungen können durch eine Reduktion der inhalativen Noxen vermindert<br />
werden. Zu unterscheiden sind:<br />
• kurzfristige Reizerscheinungen durch ungewohnte, aber dabei unbedenkliche Konzentrationen von<br />
Atemtrakt-Irritanzien (z. B. Ammoniak, Schwefeldioxid, künstliche Mineralfasern);<br />
• chronische Reizerscheinungen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung eines Asthma bronchiale (z. B.<br />
durch Isocyanate, Lötrauche);<br />
• chronische Reizerscheinungen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung einer chronisch obstruktiven<br />
Bronchitis (z. B. durch organische Stäube in der Landwirtschaft, Schweißrauche, Pyrolyseprodukte bei<br />
Feuerlöscharbeiten, in der Papierherstellung und -verarbeitung).<br />
Die berufsbedingte, nichtobstruktive Bronchitis ist formal keine Berufskrankheit, sie sollte jedoch stets<br />
gedeutet werden als Hinweis auf mangelhafte arbeitshygienische Verhältnisse. Bei Verdacht auf<br />
Grenzwertüberschreitungen sollte ein Hinweis an den Betriebsarzt / die Sicherheitsfachkraft erfolgen, ggf. an<br />
Gewerbeaufsicht oder Unfallversicherungsträger. Bei Entwicklung einer obstruktiven Atemwegserkrankung<br />
(Bestimmung der unspezifischen Atemwegsempfindlichkeit, longitudinale Lungenfunktionsanalysen) ist eine<br />
§3-Anzeige zu erwägen.<br />
Unter folgenden Konstellationen kann die <strong>COPD</strong> bei einer Berufskrankheit vorkommen:<br />
• als Komplikation der Silikose (Silikotuberkulose);<br />
• als mitunter vom berufsbedingten Asthma bronchiale schwer abgrenzbares Zustandsbild mit geringer<br />
Reversibilität der Obstruktion, insbesondere nach langjähriger Exposition gegenüber chemisch-irritativen<br />
Arbeitsstoffen und langjährigem Krankheitsverlauf, vielfach in Kombination mit langjährigem<br />
Zigarettenrauchen;<br />
• als typische Berufskrankheit beim Arbeiten unter Tage im Steinkohle-Bergbau nach Einwirkung einer<br />
kumulativen Feinstaubdosis von 300 (mg/m³)xJahre.<br />
Als gefährdend werden unter anderem Bergbautätigkeiten, Arbeiten mit Rohbaumwolle und in der<br />
Getreideverladung, Schweiß-, Koksofen-, Isolier- und Feuerlöscharbeiten genannt, als Noxen quarzhaltige<br />
Stäube, Baumwollstäube, Getreidestäube, Schweißrauche, Mineralfasern und irritativ wirksame Gase wie<br />
Ozon, Stickstoffdioxid und Chlorgas [344]. Die beruflich verursachte Bronchitis wird in der Regel als<br />
warnender Hinweis auf eine vermehrte Exposition gegenüber Irritanzien des Atemtraktes anzusehen sein<br />
[345].<br />
Bronchitis im Unfall- und Berufskrankheitenrecht<br />
Die alleinige Bronchitis ohne obstruktive Lungenfunktionseinschränkung erfüllt in Deutschland nicht die<br />
unfallversicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach §9 Abs. 1<br />
oder 2 SGB VII. Die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ist im<br />
wesentlichen unter den BK-Nummern 4301, 4302, 1315 und 4111 (siehe Tabelle 13) möglich, wobei unter<br />
den erstgenannten drei Nummern die asthmatischen gegenüber den bronchitischen Erkrankungen im<br />
Vordergrund stehen [346]. Nach epidemiologischen Studien werden bei Beschäftigungen mit langjähriger<br />
Tätigkeit unter Tage im Steinkohle-Bergbau Erkrankungen an chronisch obstruktiver Bronchitis und<br />
Lungenemphysem signifikant gehäuft angetroffen. Dies trifft auch zu, wenn radiologische Zeichen einer<br />
eindeutigen Silikose nicht vorliegen [347].<br />
Zur Prüfung des Vorliegens der entsprechenden Berufskrankheit 4111 [347; 348] bedarf es der Errechnung<br />
der kumulativen Feinstaubdosis. Die Dokumentation der Staubexposition im deutschen Steinkohle-Bergbau<br />
ist seit den 60er Jahren praktisch lückenlos, so dass im Einzelfall nachvollziehbare Abschätzungen der<br />
kumulativen Feinstaubdosis möglich sind. Die kumulative Feinstaubdosis ergibt sich aus der<br />
Feinstaubkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz in mg/m³ multipliziert mit der Anzahl der Expositionsjahre,<br />
bezogen auf jährlich 220 gefahrene Schichten zu je 8 Stunden Dauer.<br />
© 2006<br />
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