15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik
15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik
15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rede zur Lage des Journalismus<br />
Von Frank A. Meyer<br />
Was ist das Mantra dieser Veranstaltung? Das Mantra, um das es bei dieser Rede<br />
geht, lautet: Recherche, Recherche, Recherche. Recherche ist auch mein Zauberwort,<br />
mehr noch: Es stand am Anfang meiner Initiation als Journalist.<br />
Damals in den frühen sechziger Jahren war das Handwerk des Recherchierens noch<br />
nicht identisch mit dem journalistischen Handwerk. Parteilich ausgerichtete Zeitungen<br />
beherrschten die Presselandschaft. Aber wir jungen Schweizer Journalisten<br />
lasen den Spiegel. Und wir entdeckten darin Wort Recherche. Und damit entdeckten<br />
wir, dass man wichtige Menschen des öffentlichen Lebens anrufen und befragen<br />
kann, ja befragen muss. Und dass man überhaupt gezielt nachforschen kann, nach<br />
den Hintergründen von Politik, Wirtschaft und Kultur.<br />
Wie das so war, möchte ich Ihnen in einer kurzen Anekdote schildern: Es muss<br />
1964 oder 1965 gewesen sein und ich 20 oder 21, da erdreistete ich mich, wegen<br />
einer Auskunft den Generalstabschef der Schweizer Armee anzurufen – und<br />
zwar abends um 21 Uhr. Mir war mulmig dabei. Ich wusste, so etwas gehört sich<br />
nicht, schon gar nicht nach 18 Uhr. Ich rief trotzdem an, weil ich doch auch ein bisschen<br />
Spiegel-Journalist sein wollte. Der Generalstabschef der Schweizer Armee –<br />
damals noch eine der größten Landarmeen Europas – verlor komplett die Fassung:<br />
So etwas sei ihm noch nicht untergekommen, blaffte er mich in Kasernenhof-Ton<br />
an; was ich mich erfreche; und überhaupt: wer ich denn sei; ich habe keinen<br />
Anstand; seine Familie wolle ihre Ruhe. Doch dann gab er mir die Auskünfte, die<br />
ich brauchte.<br />
Die Anekdote klingt in den Ohren jüngerer Kollegen wohl wie erfunden. Aber so war<br />
es wirklich vor fast einem halben Jahrhundert. Inzwischen ist Recherchieren selbstverständlich.<br />
136