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15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik

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Ehrenkodizes in Presse- oder Werbe- oder PR-Wächterräten zählen. Das ist aber<br />

alles, obwohl akademische Praxis, recht vordergründig.<br />

Das ökonomisch wirklich basale Moment ist die von Verlegern betriebene industrielle<br />

Rationalisierung von Redaktionen und die vorsätzliche Externalisierung von<br />

Redaktionskosten auf sogenannte Contentprovider, von denen man wissen kann,<br />

dass sie das Gratisangebot verdeckt durch eine dritte Quelle finanzieren, also<br />

einem dritten Interesse folgen. Redaktion kostet, PR gibt es gratis, das ist ein<br />

Verleger-Gospel. Die Pressefreiheit hat einen klaren Feind, die Verleger. Und der<br />

Presserat ist, wenn ich das überspitzt sagen darf, die PR-Agentur der Verleger zur<br />

Nebelung des systematischen Tatbestands durch akzidentielle Kritik.<br />

Geläufig ist die Diskreditierung von Reise-und Motorjournalismus als PR-gesteuert,<br />

aber dies ist zugleich eine wohlfeile Heuchelei und eine arrogante dazu, insbesondere<br />

der Herren in der Wirtschaft und im Feuilleton und allemal der Großkopferten<br />

in der Politik. Motorjournalisten haben in aller Regel das Auto, über das sie urteilen,<br />

auch tatsächlich selbst gefahren. Zugegeben, unter angenehmen Rahmenbedingungen,<br />

aber eben doch unter tatsächlichem Augenschein. Niemand kann behaupten,<br />

dass dies auch für die Wirtschafts-und Finanzpresse oder gar die Politik gelte. Hier<br />

reden allzu oft halb-qualifizierte Laien von Produkten, die sie nicht wirklich verstehen.<br />

Die Beispiele aus der letzten Finanzkrise sind Legion. Motorjournalisten haben<br />

wenigstens einen Führerschein. Aber die mangelnden Fahrkünste der Teilnehmer<br />

an den Börsenrallyes sind eher ein peripheres Problem. Es kommt schlimmer.<br />

Eines der Kernprobleme der Wirtschaftsberichterstattung liegt darin, dass alle<br />

Nachrichtenagenturen in den Händen derer sind, die die Geschäfte betreiben. Es<br />

herrscht Stamokap allenthalben. Bloomberg scheint mir für diesen Tatbestand<br />

paradigmatisch: erst Broker, dann Nachrichtenagentur, dann Bürgermeister. Geschäft,<br />

Medien und politische Macht in einer Hand. Man könnte das Bloomberg-Paradigma<br />

an Berlusconi extemporieren. Die Betroffenen bieten uns Bunga-Bunga, damit wir<br />

die wirklichen Fragen nicht stellen.<br />

Mein Einwand ist aber fundamentaler als die PR-Färbung dieses oder jenes Tenors.<br />

Das ist Kosmetik. Mein Einwand bezieht sich auf die systematische Integration der<br />

Funktionen „Geschäft“, „Politik“ und „Presse“ im Mediensystem. Ich wähle eine<br />

Metapher aus der Welt der Sportwetten, weil Börse im Kern nichts anderes als wetten<br />

ist. Wie geht das überhaupt, dass die Mitspieler eines Spiels zugleich auf den Ausgang<br />

des Spiels wetten dürfen? Wetten sie, wie sie spielen werden? Oder spielen<br />

sie, wie sie gewettet haben? Diese Frage ist von fundamentaler Bedeutung für die<br />

Kapitalmärkte, die über Wohl und Wehe ganzer Nationen entscheiden.<br />

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