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15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik

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„Komplizierte Geschichten einfach erzählen.“<br />

Thomas Leif im Gespräch mit Seymour Hersh<br />

Kritische stories bringen meist Konflikte mit sich.<br />

Wie gehen Sie vor der Veröffentlichung mit den Betroffenen um?<br />

Weil ich älter und erfahrener bin, versuche ich heute nie, etwas zu verdrehen. Wenn<br />

die Veröffentlichung einer Geschichte schlecht für meinen Gesprächspartner sein<br />

wird, sage ich es ihm. Wenn sie bitter für ihn sein wird, sage ich es ihm. Ich bin mir<br />

aber nicht sicher, ob ich das gemacht habe, als ich jünger war.<br />

Auf lange Sicht ist es besser, ehrlich zu bleiben. Nehmen wir folgenden Fall an: Ich<br />

schreibe eine Geschichte und sie wird in zwei Tagen herauskommen. Die Person,<br />

mit der ich gesprochen habe, denkt vielleicht, ihr werde die Story gefallen – aber<br />

das wird sie nicht. Dann rufe ich denjenigen an und sage: „Sie werden meine<br />

Geschichte nicht mögen. Ich möchte nur, dass Sie das wissen, Sie werden sie nicht<br />

mögen.“ Manchmal schreien mich die Leute dann an. Aber auf lange Sicht ist es<br />

gut, so vorzugehen. Es ist besser, als es sich zu einfach zu machen und zu denken,<br />

die werden den Text nicht mögen und schreibe ihn trotzdem. Ich lasse die Leute<br />

gerne wissen, was sie erwartet.<br />

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fehler, die Journalisten immer<br />

wieder machen?<br />

Ach, Vermutungen, immer Vermutungen. Sie glauben nicht, wie viele Vermutungen<br />

oder Unterstellungen einfach so angenommen werden. Journalisten nehmen an,<br />

etwas sei die Wahrheit oder dass ihnen jemand die Wahrheit erzähle. Diese Unterstellungen<br />

sind das größte Problem. Es steckt mehr dahinter, als nur kritisch und<br />

skeptisch zu sein. Sie können nämlich hinterfragen und skeptisch sein – und doch<br />

immer nur einer Vermutung folgen. Außerdem: Wenn du eine gute Geschichte hast,<br />

dann lässt du sie sich selbst erzählen. Du musst sie nicht noch zuspitzen. Du musst<br />

die Dramatik oder die Sensation nicht extra hervorheben, wenn sie schon drinsteht.<br />

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