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15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik

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Habe ich in diesem Moment die Macht der Medien gesehen oder die Macht von<br />

Osama bin Laden? Oder die Macht eines massiven kulturellen Konfliktes? Oder die<br />

Macht einer brennenden Ikone?<br />

Bezogen auf unser engeres Thema steht fest: Die meisten Bilder des Ereignisses<br />

wurden, technisch gesehen, nicht von Journalisten produziert, bzw. entstanden zu -<br />

fällig. Die Leistung von CNN war, innerhalb kaum einer Stunde ein Kamerateam auf<br />

einen benachbarten Turm zu schicken, eine journalistische Verarbeitung des Ereignisses<br />

war hingegen nicht möglich. Der CNN-Reporter schlug sich wacker, wusste<br />

aber nicht mehr als wir Zuschauer. Die Macht der Medien bestand darin, mich an<br />

einem überwältigenden Ereignis teilhaben zu lassen. Sie hatten aber nicht die Macht,<br />

mich teilhaben zu lassen und vor der Überwältigung zu schützen. Mein geschätzter<br />

Kollege Prof. Dr. Klaus Kocks fasste dies in einem anderen Zusammenhang treffend<br />

in die Formel: „Das unerhörte Ereignis als Freiheitsberaubung der Urteilskraft“.<br />

Ich sehe mich gerne als Herr über meinen Verstand, als kritisches Subjekt, das für<br />

sich selbst und sein Handeln Verantwortung übernehmen kann. Trotz moderner<br />

Hirnforschung und Überlegungen zur Schwarmintelligenz – mir will es nicht gelingen,<br />

einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu äußern, ohne die Instanz<br />

des kritischen Subjektes vorauszusetzen. Auch und gerade wenn ich in meinem<br />

Beruf als Kommunikationsberater darüber nachdenke, wie ich mein Publikum beeindrucken,<br />

verführen, überzeugen kann, um es einzunehmen, setze ich immer ein<br />

Publikum voraus, das aus vielen Einzelnen besteht, die sich ihren Verstand in kritischer<br />

Absicht zunutze machen wollen und können. Ich denke, der kritische Journalismus<br />

setzt ebenfalls die kritische Instanz verantwortlicher Subjekte voraus, die ein<br />

Publikum und eine Öffentlichkeit bilden.<br />

Der Anschlag auf das World Trade Center war ein Anschlag auf meinen Verstand,<br />

auf meine Fähigkeit zur kritischen Reflektion. Wenn Sie so wollen, war er eine geniale<br />

PR-Aktion der Al Quaida. Die journalistischen Medien konnten mich vor diesem<br />

Anschlag nicht schützen. Sie konnten mich nicht als kritisches Subjekt ansprechen.<br />

Im Gegenteil, sie zeigten den Schrecken nicht nur während er sich vollzog, sondern<br />

danach und in den folgenden Tagen und Jahren und erneut zum zehnten Jahrestag.<br />

Ich habe die Medien und die Journalisten verflucht, als sie mich immer wieder<br />

zwangen, dies zu sehen. Ich bin auch der Auffassung, dass Medien sich am Schrecken<br />

finanziell bereichert haben, indem sie die Schaulust des Publikums bedienten.<br />

Aber heute weiß ich auch, dass ihre Hauptaufgabe nicht war, die Bilder zu filtern,<br />

sondern danach eine Debatte über die Bilder zu organisieren, eine Verarbeitung zu<br />

leisten. Und das haben sie doch alles in allem hier in Deutschland, wo ich es einigermaßen<br />

überschaue, gut gemacht. Was ich also an diesem Bild sehe, ist die Ohnmacht<br />

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