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15. MainzerMedienDisput vom 25. November 2010.pdf - Talk-Republik

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Wir schwelgten mit in diesem Größenwahn. Geschmeichelt, wenn wir dabei sein<br />

durften, wenn wir mit einem der Allergrößten, mit einem dieser Riesenmänner, zu<br />

Tische sitzen durften. Die Verleger lancierten Hochglanz-Hofzeitschriften für den<br />

neureichen Geldadel, denn nach Adel dürstet es die Deutschen ja allemal. Vanity<br />

Fair und Park Avenue hießen die Huldigungsblätter.<br />

Was all dies für die ganz normalen Menschen bedeutete, das hat uns doch wenig<br />

gekümmert. Wir machten sogar die Diffamierung dieser ganz einfachen, dieser<br />

ganz normalen Menschen mit. Indem wir zum Beispiel Arbeitslosigkeit plötzlich als<br />

individuelles Versagen denunzierten, nicht mehr als Versagen der Gesellschaft.<br />

Jeder Bürger hatte die Pflicht, eine Ich-AG zu sein, sogar der Staat sollte wie ein<br />

Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Über Politiker, die es anders wollten,<br />

haben wir uns amüsiert, im harmlosesten Fall.<br />

Sind wir heute weiter mit unserer Recherche, mit unserer „Recherche du temps<br />

perdu“? Denn es war ja verlorene Zeit. Nicht einmal die Aktionäre gewannen dabei,<br />

sondern wurden ärmer. Und die Volkswirtschaft ebenfalls. Allein die Hütchenspieler<br />

der Finanzwirtschaft wurden durch ihre maßlosen Boni reich und reicher.<br />

Decken wir diese Zusammenhänge heute auf, wenn wir über Griechenland, über<br />

die unzuverlässigen und trägen und sonnenverwöhnten Hellenen reden?<br />

Ich glaube, einiges hat sich doch verbessert. Jedenfalls hier in Deutschland, wo ich<br />

nicht nur den Vorzug Berlins genieße, jeden Tag fünfzig interessante Events zu verpassen,<br />

sondern wo ich in Zehlendorf auch meine Steuern zahle.<br />

Ich weiß, ich weiß, sie alle zieht es in die Schweiz, das Sehnsuchtsland der Deutschen.<br />

Und auf der Autobahn gegen Basel herrscht Gedränge. Ich bin der Gegenverkehr.<br />

Bei meiner Übersiedlung hatte ich angenommen, die anderen seien die Geisterfahrer,<br />

doch nein, der Geisterfahrer war ich.<br />

Trotz fortschreitender Integration pflege ich immer noch einen Blick von außen auf<br />

die deutschen Verhältnisse, vor allem auf die deutschen Medien. Ich habe die großen<br />

gesellschaftlichen Debatten der vergangenen 12 Monate mit größter Aufmerksamkeit<br />

verfolgt, vorab und täglich frühmorgens in sechs Zeitungen: die Sarrazin-Debatte,<br />

die Guttenberg-Debatte und die AKW-Debatte.<br />

Ich möchte einige Tageszeitungen nennen, die mich dabei ganz besonders beeindruckten.<br />

Die „Süddeutsche Zeitung“ natürlich, mit ihren Denk- und Wortkünstlern<br />

Kister oder Prantl; die „Frankfurter Allgemeine“ mit ihrer kategorischen Forderung<br />

nach bürgerlicher Tugend im Fall Guttenberg; „Die Welt“ mit ihren journalistischen<br />

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