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Das Procedere war höchst ungewöhnlich und eröffnete dem<br />
Komponisten ungeahnte Möglichkeiten. Wäre der Auftrag noch<br />
vom alten bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph gekommen,<br />
er hätte nichts weiter umfasst als die schematische Vertonung<br />
eines gängigen Opernlibrettos von Pietro Metastasio, dem<br />
Wiener Hofpoeten und Dichterfürsten des Zeitalters. Mozart<br />
hätte nur in seinen Bücherschrank greifen müssen, um den betreffenden<br />
Band der Metastasio-Gesamtausgabe hervorzuholen,<br />
und hätte ansonsten genau gewusst, was zu tun war, um eine<br />
klassische Opera seria abzuliefern. Seit 1778 aber wehte ein anderer<br />
Geist im zuvor so konservativen München. Der neue Kurfürst<br />
Carl Theodor hatte aus seiner pfälzischen Residenz einen<br />
entschieden französischen Geschmack mit an die Isar gebracht.<br />
In seinem riesigen Mannheimer Opernhaus hatte er in den<br />
1760er Jahren einige der aufregendsten Beispiele für antikische<br />
Operntragödien im gemischt französisch-italienischen Geschmack<br />
aufführen lassen, wie etwa die „Sofonisba“ von Tommaso<br />
Traetta oder die „Ifigenia in Tauride“ von Ciccio de Majo.<br />
Nun wollte der neue Kurfürst auch den Münchnern zeigen, wie<br />
aufregend ein solches italienisches Operndrama unter französischen<br />
Prämissen sein konnte.<br />
Ein französisches Buch und seine Umarbeitung<br />
GENAU AUS DIESEM GRUNDE FAND MOZART IN DEM<br />
Päckchen aus München neben dem Vertrag auch ein „Büchel“<br />
in französischer Sprache vor. Es war der Text einer alten<br />
französischen Operntragödie aus dem Jahre 1713, des „Idoménée“<br />
von Antoine Danchet, den seinerzeit André Campra vertont<br />
hatte – ein düsteres Schauerdrama aus dem alten Kreta, das in<br />
seinem blutrünstigen Finale etwas von der bedrückenden<br />
Atmosphäre jener Jahre widerspiegelte, als in Versailles die<br />
Herrschaft des Sonnenkönigs in den letzten Zügen lag. Diese<br />
„Tragédie lyrique“, wie man in Frankreich die ernste Oper<br />
nannte, sollte der Salz burger Hofkaplan Gianbattista Varesco<br />
nun in ein „Dramma per musica“ verwandeln, in den Text für<br />
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