Pflege- und Adoptivkinder in Heimen - ifb - Bayern
Pflege- und Adoptivkinder in Heimen - ifb - Bayern
Pflege- und Adoptivkinder in Heimen - ifb - Bayern
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Pflege</strong>- <strong>und</strong> <strong>Adoptivk<strong>in</strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>Heimen</strong> 45<br />
Belastungen entstehen aber nicht nur unmittelbar für die Betreuungseltern, sondern für das<br />
ganze Familiensystem, aus dem das Betreuungsk<strong>in</strong>d ja <strong>in</strong> der Regel ‚herausgenommen‘ wird,<br />
was (wenn auch abhängig von den Umständen des E<strong>in</strong>zelfalls <strong>in</strong> unterschiedlicher Intensität)<br />
der Trauerarbeit nach e<strong>in</strong>em Todesfall gleichkommen kann. Verschiedentlich wurde auch<br />
e<strong>in</strong>e Nachbearbeitung der Erfahrung <strong>in</strong> therapeutischer Begleitung erforderlich oder auch<br />
erst längerer Zeit nach dem Wechsel gesucht. Die Interviews haben aber auch ergeben, dass<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionalisiertes Hilfeangebot (analog etwa zur Trennungs- <strong>und</strong> Scheidungsberatung)<br />
allenfalls <strong>in</strong> Ansätzen besteht, <strong>und</strong> dass die Betreuungsfamilien nach e<strong>in</strong>em Wechsel e<strong>in</strong>es<br />
von ihnen betreuten K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Heim mit der Verarbeitung ihrer Erfahrungen <strong>und</strong> Erklärungsversuchen<br />
bislang oft sich selbst überlassen geblieben s<strong>in</strong>d.<br />
Nicht zuletzt wird die Entwicklung der eigenen Kompetenz bzw. Professionalität durch auf<br />
solche Weise vollzogene Wechsel beschränkt, da Lernen aus Erfahrung nicht <strong>in</strong> die eigene<br />
Weiterqualifizierung E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den kann.<br />
Belastung <strong>und</strong> Belastbarkeit von Betreuungsfamilien<br />
Der Faktor ‚Überlastung‘ der leiblichen Mütter besitzt oft schon <strong>in</strong> den Herkunftsfamilien<br />
von Betreuungsk<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong> hohes Gewicht. Das ist eher regelhaft anzunehmen. Überraschend<br />
spielte dieser Faktor auch <strong>in</strong> solchen Betreuungsfamilien e<strong>in</strong>e prom<strong>in</strong>ente Rolle,<br />
die auf e<strong>in</strong>e nicht zufriedenstellende Wechselerfahrung zurückblicken. Auf den ersten Blick<br />
ist dies weniger e<strong>in</strong>sichtig, weil Betreuungsfamilien sich von ihren Auswahlbed<strong>in</strong>gungen her<br />
<strong>und</strong> im Vergleich zur belasteten Herkunftsfamilie eigentlich gerade als relativ belastbarer zeigen<br />
sollten. Zu berücksichtigen ist hier zunächst, dass diese Familien im Pr<strong>in</strong>zip mit denselben<br />
Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die auch bei allen anderen Familien auftreten können<br />
(f<strong>in</strong>anzielle Sorgen, Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner, Schulschwierigkeiten der<br />
K<strong>in</strong>der u.ä.), aber die schon beschriebene Mehrbelastung durch aufgenommene Betreuungsk<strong>in</strong>der<br />
mittragen müssen. E<strong>in</strong>ige Aussagen <strong>in</strong> den Interviews legen nahe, dass dabei die<br />
Belastung, die durch die Aufnahme e<strong>in</strong>es Betreuungsk<strong>in</strong>des entstehen kann, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong><br />
manchen Fällen, erheblich unterschätzt wurde.<br />
Hervorzuheben ist, dass diese (Mehr-)Belastung von den Betreuungsfamilien tatsächlich zu<br />
tragen versucht wird, wenn auch letztlich gesehen mit unterschiedlichem Erfolg, oder, was<br />
das Familiensystem der Betreuungsfamilie angeht, mit vollem Risiko für alle Familienmitglieder<br />
(„dachte, mit Liebe sei alles zu machen, aber es stimmte nichts“, „war vom <strong>Pflege</strong>k<strong>in</strong>d<br />
ausgebrannt“, die <strong>Pflege</strong>k<strong>in</strong>der waren für die Ehe „e<strong>in</strong>e ständige Überforderung“, <strong>Pflege</strong>mutter<br />
wie <strong>Pflege</strong>sohn „waren am Ende ihrer Kraft“, „letztlich ist daran die <strong>Pflege</strong>familie<br />
gescheitert“, <strong>Pflege</strong>vater hat se<strong>in</strong>er Ansicht nach eigene Kräfte überschätzt). Für E<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong><br />
der <strong>in</strong>terviewten Teilnehmergruppe ist es allerd<strong>in</strong>gs auch möglich gewesen, e<strong>in</strong>e „hohe Belastung<br />
bei gleichzeitiger wechselseitiger Bereicherung <strong>und</strong> positiver Erfahrung“ festzuhalten.<br />
Diese hohe Belastungsbereitschaft sollte jedoch nicht kurzschlüssig mit e<strong>in</strong>er übersteigerten<br />
Leistungsorientierung <strong>in</strong> diesen Familien gleichgesetzt werden. E<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die Suchrichtung<br />
nach hier zum Tragen kommenden Kräften könnte sich <strong>in</strong> Aussagen wie diesen f<strong>in</strong>den:<br />
„Starke Verpflichtungsgefühle bei den <strong>Pflege</strong>eltern, wenn e<strong>in</strong> <strong>Pflege</strong>k<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e anderen<br />
Beziehungen mehr hat“ oder: Die <strong>Pflege</strong>mutter ist an ihre Grenzen geraten <strong>und</strong> „hat ihr eige-