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Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)

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TITEL<br />

<strong>Judenfeind</strong> <strong>Luther</strong><br />

ihre Lügen‘ schreibt Dr. Martin <strong>Luther</strong>,<br />

die Juden seien ein Schlangengezüchte,<br />

man solle ihre Synagogen niederbrennen,<br />

man solle sie vernichten (…). Genau das<br />

haben wir getan!“<br />

Wenn man anhand der historischen<br />

Quellen das Verhalten der katholischen<br />

Kirche untersucht, zeigt sich ein anderes<br />

Bild. Vor allem hinsichtlich des Antisemitismus<br />

hatte sie größere Distanz zum<br />

Regime gewahrt und sich nicht auf solche<br />

Formen aktiver Kooperation mit ihm eingelassen,<br />

die insbesondere für die „Deutschen<br />

Christen“ typisch waren – auch<br />

deshalb, weil die Nationalsozialisten<br />

<strong>Luther</strong> stets als einen der „großen Deutschen“<br />

priesen und seine judenfeindlichen<br />

Thesen von Beginn an propagandistisch<br />

eingesetzt hatten.<br />

Dadurch konnten sie eine spezifische<br />

Nähe zu der von ihm gegründeten<br />

Kirche herstellen. Es setzte sich etwas<br />

fort, was bereits seit Jahrhunderten bis<br />

1933 zu beobachten war. Dies zeigt beispielhaft<br />

eine Analyse der Religionszugehörigkeit<br />

von 48 deutschen Autoren judenfeindlicher<br />

Texte, die in den Schriften<br />

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von Graetz, Steinlein, Ginzel und Brumlik<br />

zitiert werden. Nur drei gehörten der<br />

katholischen Kirche an. Zu sechs weiteren<br />

ließ sich die Religion nicht ermitteln.<br />

39 waren evangelisch, 18 von ihnen hatten<br />

evangelische Theologie studiert.<br />

Die Verbindung der evangelischen<br />

Kirche zum Antisemitismus dürfte einen<br />

wichtigen Beitrag dazu geleistet haben,<br />

dass die NSDAP bei den Reichstagswahlen<br />

vom Juli 1937 zum ersten Mal mit<br />

37,2 Prozent stärkste Partei wurde. Wie<br />

der Wahlforscher Jürgen Falter ermittelt<br />

hat, verdankte sie ihren Sieg den evangelischen<br />

Wählern. Von ihnen hatte sich<br />

jeder Zweite für Hitler entschieden, von<br />

den Katholiken dagegen nur jeder Fünfte.<br />

Letzteres kann nicht überraschen. Die<br />

katholische Kirche hatte im Jahr 1930<br />

ihren Mitgliedern verboten, der NSDAP<br />

beizutreten, und den Nationalsozialisten<br />

die Sakramente, zum Beispiel Taufe<br />

und Hochzeit, verweigert. Außerdem<br />

hatte sie 1932 in einem Hirtenbrief zur<br />

Reichstagswahl ihre Gläubigen dazu aufgerufen,<br />

nur christlich orientierte Politiker<br />

und Parteien zu wählen.<br />

Europa<br />

Nach dem Kriegsende kam die<br />

schockartige Konfrontation mit dem Holocaust.<br />

Seitdem wird der Antisemitismus<br />

von beiden christlichen Kirchen eindeutig<br />

abgelehnt. Auch im Vergleich der Einstellungen<br />

ihrer Mitglieder ergeben sich<br />

heute keine signifikanten Unterschiede.<br />

In einer repräsentativen Schülerbefragung<br />

des Kriminologischen Forschungsinstituts<br />

Niedersachsen wurden 2013<br />

knapp 10 000 niedersächsische Jugendliche<br />

befragt. Von den katholischen<br />

deutschen Schülern stimmten 7,2 Prozent<br />

antisemitischen Thesen zu, von den<br />

evangelischen waren es 6,7 Prozent.<br />

Doch nun zur dritten Frage. Wie geht<br />

die evangelische Kirche mit ihrer Vergangenheit<br />

um? 1950 hatte sie erklärt,<br />

sie sei durch „Unterlassen und Schweigen<br />

mitschuldig geworden an dem Frevel,<br />

der durch Menschen unseres Volkes<br />

an den Juden begangen wurde“. Aber<br />

das war nur die halbe Wahrheit. Darüber,<br />

dass starke Kräfte der evangelischen<br />

Kirche im Dritten Reich den Antisemitismus<br />

aktiv unterstützt hatten, verlor man<br />

1950 kein Wort.<br />

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