Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)
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Es waren russische Diplomaten und Wissenschaftler,<br />
die führend daran beteiligt<br />
waren, eine Koalition konservativer<br />
Staaten zu formieren und eine Resolution<br />
für den UN-Menschenrechtsrat in Genf<br />
zu formulieren, die sich gegen die Rechte<br />
von Homosexuellen richtete. Menschenrechte,<br />
das war das Ziel, sollten „traditionellen<br />
Werten und kultureller Herrschaft“<br />
untergeordnet werden.<br />
„Russland hat dieses Thema für sich<br />
genutzt, um in muslimischen und afrikanischen<br />
Staaten eine Anhängerschaft zu<br />
gewinnen“, sagt Mark Gevisser, Fellow<br />
der Stiftung Open Society. „Das Markenzeichen<br />
,ideologisch-moralischer Konservatismus‘<br />
wurde ursprünglich in den<br />
USA geprägt. Es ist besonders ironisch,<br />
wenn sich diese Länder nun an einem<br />
antiwestlichen Kreuzzug beteiligen und<br />
sich dabei eines westlichen Werkzeugs<br />
bedienen.“<br />
AM WIRKUNGSVOLLSTEN verfängt Moskaus<br />
Ablehnung der Rechte von Homosexuellen<br />
aber in Russlands unmittelbarer<br />
Nachbarschaft. Als es im vergangenen<br />
November noch so aussah, als würde<br />
Viktor Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen<br />
mit der Europäischen Union<br />
unterzeichnen, waren überall im Land<br />
auf riesigen Werbeflächen Warnungen<br />
zu lesen wie: „Die EU bedeutet Legalisierung<br />
gleichgeschlechtlicher Ehen.“<br />
Die Kampagne wurde von der Bewegung<br />
„Ukrainische Wahl“ bezahlt, einer<br />
Gruppe, die sich gegen eine Integration<br />
der Ukraine in die EU und für eine Allianz<br />
mit Russland engagiert und die dem<br />
kremlnahen Politiker und Geschäftsmann<br />
Viktor Medwedtschuk nahesteht.<br />
Putins neue Mission ist aber viel<br />
mehr als politischer Opportunismus. Wie<br />
in den Zeiten der Kommunistischen Internationale<br />
oder der Komintern knüpft<br />
Moskau eine internationale ideologische<br />
Allianz. Während die Komintern sich<br />
aber einst bemühten, Linke jeder Schattierung<br />
unter Moskaus großes ideologisches<br />
Zelt zu bringen, preist Putin sich<br />
als moralische Leitfigur für alle Konservativen<br />
an, die liberale Werte ablehnen.<br />
Wie damals die Komintern scheint<br />
auch Putin überzeugt, auf einer weltweiten<br />
historischen Mission zu sein. Zweifellos<br />
hat eine solche moralische Mission<br />
tiefe Wurzeln in der russischen<br />
Geschichte. Zahlreiche Kreml-Herrscher<br />
– wie die Zaren Nikolaus I, der „Polizist<br />
Europas“ und der erzkonservative<br />
Alexander III – schwangen sich einst zu<br />
Verteidigern der Orthodoxie und Autokratie<br />
auf. Nicht von ungefähr zitierte<br />
Putin in seiner Duma-Rede den konservativen<br />
Denker aus dem 19. Jahrhundert,<br />
Nikolai Berdjajew. „Der Sinn des Konservatismus<br />
besteht nicht darin, dass er<br />
Fort- oder Rückschritte behindert“, sagte<br />
er, „sondern darin, dass er ein Abrutschen<br />
ins finstere Chaos verhindert – den<br />
Rückfall in alte Zeiten.“<br />
Es wäre ein Leichtes, Putins konservative<br />
Komintern als eine andere<br />
Form eines Sotschi-haften Eitelkeitsprojekts<br />
abzutun. Würde nicht gleichzeitig<br />
Russlands Hard- wie Softpower wachsen.<br />
Erstmals seit einer Generation hatte<br />
Moskau im vergangenen Jahr in einer internationalen<br />
Angelegenheit das Sagen:<br />
Russlands Außenminister Sergei Lawrow<br />
bremste mit seinem Vorschlag für<br />
die Vernichtung der chemischen Waffen<br />
in Syrien US-Pläne für einen Militärschlag<br />
gegen Damaskus aus.<br />
Jahrelang hatte Moskau Gewaltherrscher<br />
in Ägypten, im Jemen, in Tunesien<br />
und Libyen erfolglos unterstützt – und<br />
sie sind gestürzt worden, genau wie die<br />
alte sowjetische Klientel von Afghanistan<br />
bis Jugoslawien. Mit Syrien ging die<br />
Pechsträhne zu Ende. Moskaus diplomatischer<br />
Schutz in den Vereinten Nationen,<br />
abgesichert durch russische Waffen<br />
sowie geheimdienstliche und militärische<br />
Hilfe, bedeutet wieder etwas. Wenn<br />
Harry S. Truman die USA zum Leuchtturm<br />
der Demokratie machen wollte, so<br />
sieht Putin Russland als Leuchtturm der<br />
reaktionären Bewegung.<br />
Schließlich gibt es noch einen dritten<br />
Pfeiler des ambitionierten russischen<br />
Programms, die Welt nach dem eigenen<br />
Bild zu gestalten: die kontinuierliche<br />
Kampagne zur Neugestaltung der globalen<br />
Architektur des Internets, sodass<br />
einzelne Staaten eine größere Kontrolle<br />
ausüben können.<br />
Seit der Geburt des World Wide<br />
Webs befindet sich das Kontrollzentrum<br />
bei der Internet Corporation for Assigned<br />
Names and Numbers, kurz ICANN,<br />
in den USA. Die Non-Profit-Organisation<br />
in Los Angeles vergibt Namen und<br />
Adressen im Internet. Seit langem schon<br />
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© Foto Barenboim: Peter Adamik © Foto Schäuble: Ilja C. Hendel / BMF<br />
© Foto Gabriel: Dominik Butzmann<br />
Die Kunst<br />
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<strong>Cicero</strong>-Kolumnist Frank A. Meyer und<br />
<strong>Cicero</strong>-Chefredakteur Christoph<br />
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11. Mai, 2014,<br />
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Berliner Ensemble<br />
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mit dem Berliner Ensemble<br />
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<strong>Cicero</strong> – 4. 2014