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BERLINER REPUBLIK<br />
Porträt<br />
DER POLITIKDARSTELLER<br />
Mit dem ehemaligen Schauspieler Charles M. Huber hat die CDU einen Quereinsteiger in<br />
den Bundestag geschickt – inzwischen muss das Experiment als gescheitert gelten<br />
Von ALEXANDER MARGUIER<br />
Über das politische Talent von<br />
Charles M. Huber gehen die Meinungen<br />
zwar auseinander. Aber<br />
eine Fußnote in der Geschichte des deutschen<br />
Parlamentarismus dürfte dem<br />
57‐Jährigen schon heute sicher sein: als<br />
erstem Bundestagsabgeordneten, dem<br />
der eigene Kreisverband noch während<br />
der laufenden Legislaturperiode das Vertrauen<br />
entzog.<br />
„Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen<br />
über die Wahlkreisarbeit und<br />
eine nach wie vor nicht tragfähige Basis<br />
für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />
sieht sich der CDU-Kreisvorstand<br />
Darmstadt veranlasst, eine Zusammenarbeit<br />
mit dem Bundestagsabgeordneten<br />
Charles M. Huber nicht weiter zu<br />
verfolgen.“ So stand es kurz und bündig<br />
in einer am 1. März von den örtlichen<br />
Christdemokraten verbreiteten<br />
Pressemitteilung. Weitere Nachfragen<br />
unerwünscht. Zur Vorgeschichte dieser<br />
Peinlichkeit lässt sich nur so viel mit Sicherheit<br />
sagen: Die Versuchsanordnung<br />
war von Anfang an riskant.<br />
Die Darmstädter CDU hielt es vor<br />
der zurückliegenden Bundestagswahl jedenfalls<br />
für eine gute Idee, die sozialdemokratische<br />
Direktkandidatin Brigitte<br />
Zypries mit einem prominenten Gegenkandidaten<br />
herauszufordern – schließlich<br />
ist Zypries als ehemalige Bundesjustizministerin<br />
selbst eine Art Promi. Über<br />
etwas verschlungene Wege verfiel die mit<br />
dem Kandidatencasting betraute Darmstädter<br />
CDU-Landtagsabgeordnete Karin<br />
Wolff auf ihren damaligen Facebook-<br />
Freund Charles M. Huber. Der gelernte<br />
Zahntechniker, Sohn eines senegalesischen<br />
Diplomaten und einer bayerischen<br />
Hausangestellten, ist einem älteren Fernsehpublikum<br />
noch durch seine Auftritte<br />
in der Krimiserie „Der Alte“ bekannt;<br />
diese Schauspielkarriere endete freilich<br />
im Jahr 1997, danach versuchte sich<br />
Karl-Heinz Huber, so sein bürgerlicher<br />
Name, unter anderem als Gastronom in<br />
München, wurde SPD-Mitglied und trat<br />
später zur CSU über. Seine politische<br />
Expertise beschränkte sich im Wesentlichen<br />
auf eine unterstützende Teilnahme<br />
an Angela Merkels Wahlkampf-Zugfahrt<br />
im „Rheingold-Express“ anno 2009. Karin<br />
Wolff, der einstigen hessischen Kultusministerin,<br />
schien das ausreichend.<br />
HUBER LIESS SICH von ihr nicht lange<br />
bitten, übersiedelte von München nach<br />
Südhessen sowie von der CSU zur CDU –<br />
und wurde im Oktober 2012 tatsächlich<br />
von 94 Prozent der Darmstädter Delegierten<br />
als Bundestagskandidat für den<br />
Wahlkreis 186 nominiert. Ein hessischer<br />
CDU-Insider, der Huber zuvor auf dessen<br />
Politiktauglichkeit testen sollte, berichtet<br />
allerdings, ihm seien schon damals<br />
Zweifel gekommen. Der Wunschkandidat<br />
habe in Gesprächen nämlich keinerlei<br />
inhaltliches Profil erkennen lassen, sondern<br />
nur Allgemeinplätze von sich gegeben.<br />
Bis heute heißt es auf Hubers Homepage<br />
übrigens wörtlich: „Ich habe mir<br />
als Quereinsteiger mit eine Partei ausgesucht,<br />
welche in der Lage ist, über einen<br />
soliden Haushalt und gesunden Perspektiven<br />
für die Wirtschaft und nicht<br />
über Steuererhöhungen, eine Basis für<br />
unsere gesamte Gesellschaft schaffen.<br />
Eine Kandidat sollte sich der Partei verpflichtet<br />
fühlen, mit deren Arbeit und<br />
deren Werte er sich identifizieren kann.<br />
Meine Partei ist daher die CDU.“<br />
Dann kam der Wahlkampf, und der<br />
Ärger begann. Er wurde über die Wochen<br />
sogar so groß, dass Huber am Abend<br />
des 22. September nicht einmal zur Wahlparty<br />
seiner Partei erschien – offenbar<br />
aus Frust über das verpasste Direktmandat.<br />
Erst als am nächsten Morgen klar<br />
wurde, dass er es über die Landesliste<br />
doch in den Bundestag geschafft hatte,<br />
ließ Huber wieder von sich hören. Doch<br />
da war das Verhältnis zwischen dem<br />
Kandidaten und der Darmstädter CDU<br />
offenbar längst zerrüttet.<br />
Alsbald wetterte Charles M. Huber<br />
öffentlich, die Partei habe ihn im Wahlkampf<br />
nicht ausreichend unterstützt,<br />
70 Prozent der Plakate habe er selbst kleben<br />
müssen – ohnehin sei der Darmstädter<br />
Kreisvorsitzende „ungeeignet“ und<br />
sollte am besten zurücktreten. Die so Gescholtenen<br />
werfen dem Quereinsteiger<br />
Arroganz und maßlose Selbstüberschätzung<br />
vor. Angeblich hat er sogar Geld<br />
dafür verlangt, dass sein Konterfei auf<br />
den Wahlplakaten zu sehen war. Auch<br />
die Tatsache, dass Huber noch während<br />
des Wahlkampfs bekundete, Darmstadt<br />
erinnere ihn „an viele Städte im Osten<br />
direkt nach der Wende“, sorgte für atmosphärische<br />
Störungen. Nach dem Einzug<br />
in den Bundestag, heißt es bei der Darmstädter<br />
CDU, sei der Abgeordnete kaum<br />
zu sprechen gewesen – weil er nach eigenen<br />
Angaben mit der Regierungsbildung<br />
beschäftigt gewesen sei.<br />
Charles M. Huber selbst will sich zu<br />
dem grotesken Schauspiel inzwischen<br />
nicht mehr äußern. Eine Gesprächsanfrage,<br />
die ihn offenbar während einer<br />
Dienstreise erreichte, beantwortete er<br />
via E-Mail mit folgenden Worten: „Bin<br />
als Entwicklungs und Außenpolitiker in<br />
Afrika unterwegs. Ich werde mich an dieser<br />
Provinzposse nicht weiter beteiligen.“<br />
In einem Zeitungsinterview hatte<br />
Huber wenige Wochen nach seiner Wahl<br />
verkündet, Politik sei „kein Lehrberuf“.<br />
Wenn er sich da mal nicht getäuscht hat.<br />
ALEXANDER MARGUIER ist<br />
stellvertretender Chefredakteur von <strong>Cicero</strong><br />
Foto: Dominik Beckmann/Brauer Photos<br />
36<br />
<strong>Cicero</strong> – 4. 2014