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Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)

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WELTBÜHNE<br />

Debatte<br />

Nach zwei Jahrzehnten als<br />

wirtschaftlicher Entwicklungsfall<br />

feiert Russland<br />

ein Comeback als ideologische<br />

Macht – dieses Mal<br />

als Sachwalter konservativer Werte. In<br />

seiner Rede an die Nation im vergangenen<br />

Dezember im russischen Parlament<br />

versicherte Wladimir Putin Konservativen<br />

auf der ganzen Welt, dass Russland<br />

bereit und willens sei, für „Familienwerte“<br />

einzustehen und gegen die<br />

Flut liberaler, Homosexuellen-freundlicher<br />

Propaganda, „die von uns verlangt,<br />

das zu akzeptieren, ohne die Gleichwertigkeit<br />

von Gut und Böse hinterfragen<br />

zu dürfen“. Der russische Präsident versprach,<br />

er werde „traditionelle Werte<br />

verteidigen, die seit Tausenden von Jahren<br />

die geistige und moralische Grundlage<br />

der Zivilisation jeder Nation sind“.<br />

Entscheidend ist, dass Putin unmissverständlich<br />

klarmachte, dass seine<br />

Botschaft sich nicht nur an Russen richtet<br />

– die bereits durch die jüngste Gesetzgebung<br />

vor „der Förderung nichttraditioneller<br />

Beziehungen“ geschützt werden –,<br />

sondern auch „an immer mehr Menschen<br />

überall auf der Welt, die unsere Haltung<br />

unterstützen“.<br />

Putin hat Großes vor. Natürlich hat<br />

die Revolution in der Ukraine etwas mit<br />

den Unterschieden im Osten und Westen<br />

des Landes zu tun. Aber sie ist auch<br />

ein Kulturkampf zwischen Konservativen<br />

und Liberalen. Die Demonstranten,<br />

die gegen die Janukowitsch-Regierung<br />

kämpften, neigen der Europäischen<br />

Union und modernen „demokratischen<br />

Werten“ zu, dazu zählen auch Rechte<br />

für Homosexuelle. Die Janukowitsch-<br />

Befürworter hingegen sind tendenziell<br />

russlandfreundlich, und auf manchen ihrer<br />

Plakate war „Euro=Homo“ zu lesen.<br />

Dies ist genau die Kampflinie, entlang derer<br />

Putin seinen konservativen ideologischen<br />

Maßstab errichtet hat.<br />

Der Bericht „Putin: der neue Führer<br />

des internationalen Konservatismus“ des<br />

kremlnahen Thinktanks Centre for Strategic<br />

Communications fasst Putins Absichten<br />

geschickt zusammen. So heißt es<br />

in dem Papier, eine schweigende Mehrheit<br />

in der Welt ziehe traditionelle Familienwerte<br />

dem Feminismus sowie den<br />

Rechten für Homosexuelle vor, und Putin<br />

sei ihr natürlicher Anführer. „Allem<br />

Anschein nach glaubt der Kreml das ultimative<br />

Trennungsmerkmal identifiziert<br />

zu haben, um seine Unterstützer –<br />

in Russland wie im Westen – zu einen,<br />

seine Gegner zu spalten und Unterstützung<br />

gerade in den Entwicklungsländern<br />

zu gewinnen“, sagt Brian Whitmore,<br />

Korrespondent von Radio Free Europe.<br />

„Sie scheinen zu glauben, sie hätten die<br />

Ideologie gefunden, die Russland an ihren<br />

rechtmäßigen Platz zurückbringt<br />

als Macht des Guten mit einem messianischen<br />

Auftrag und der Fähigkeit, die<br />

Herzen und Köpfe überall auf der Welt<br />

zu gewinnen.“<br />

PUTINS SIRENENGESANG hat Unterstützer<br />

aus einer unerwarteten Richtung<br />

gefunden, etwa Pat Buchanan. Der<br />

konservative amerikanische Politiker,<br />

Kommentator – und einstiger Antikommunist<br />

– war während der Reagan-Ära<br />

einer der Architekten der Bewegung<br />

„Moralische Mehrheit“. Jetzt ist er voll<br />

des Lobes für Putins „paläokonservative<br />

Bewegung“. Kürzlich schrieb Buchanan,<br />

die großen ideologischen Kämpfe des<br />

21. Jahrhunderts würden „zwischen einem<br />

Aufgebot von Konservativen und<br />

Traditionalisten aller Länder gegen den<br />

militanten Säkularismus einer multikulturellen<br />

und länderübergreifenden Elite“<br />

ausgefochten. „Während viele amerikanische<br />

und westliche Medien ihn als autoritär,<br />

reaktionär und rückwärtsgewandt<br />

abqualifizieren, könnte Putin die Zukunft<br />

klarer sehen als die Amerikaner.“<br />

Mit dieser Ansicht ist Buchanan nicht<br />

allein. Der in Illinois beheimatete World<br />

Congress of Families, eine Organisation<br />

zur Förderung von Familienwerten, ist<br />

der Einladung gefolgt, ihre 8. Internationale<br />

Jahreskonferenz in Moskau abzuhalten.<br />

„Russland könnte ein großer Verbündeter<br />

für Konservative sein, wenn es um<br />

die Verteidigung der Familie geht, um das<br />

Verbot von Abtreibung, die Stärkung der<br />

Ehe und die Propagierung von mehr Kindern“,<br />

begründet der Chef des Verbands,<br />

Larry Jacobs, die Entscheidung.<br />

Die wahre Zielgruppe des Kremls<br />

ist aber nicht der rechte Rand westlicher<br />

Gesellschaften, sondern es sind die Länder,<br />

die einst unter sowjetischem Einfluss<br />

standen. Dazu gehört der sogenannte<br />

„postsowjetische Raum“, aber auch einige<br />

Staaten des Nahen Ostens und Afrikas.<br />

„Putin könnte<br />

die Zukunft<br />

klarer sehen als<br />

die Amerikaner“<br />

Pat Buchanan,<br />

konservativer<br />

amerikanischer Politiker<br />

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<strong>Cicero</strong> – 4. 2014

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