Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)
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Amt, dann Botschafter in Peking. Vielen<br />
Kritikern ist klar, dass ihre Westerwelle-Schelte<br />
nicht immer fair ist, in der<br />
zweiten Hälfte seiner Amtszeit habe<br />
sich manches gebessert, räumen sie beinahe<br />
widerwillig ein. Aber dennoch: Mit<br />
Steinmeier, so sagen sie fast trotzig, sei es<br />
eben professioneller, der Mann sei pragmatisch,<br />
unideologisch, bringe Sachverstand<br />
aus seiner ersten Amtszeit mit.<br />
„Das brummt richtig“, urteilt Volker Perthes<br />
über das neue Klima.<br />
Angela Merkel hat mit Maria Böhmer<br />
eine enge Vertraute in Steinmeiers Nähe<br />
installiert. Sie, früher im Kanzleramt, politisch<br />
als Vorsitzende der CDU-Frauenunion<br />
mit solider Hausmacht ausgestattet,<br />
ist jetzt Staatsministerin im Auswärtigen<br />
Amt. Aber auch sie sagt über den Sozialdemokraten<br />
Steinmeier, er habe seine<br />
Erfahrungen sofort aktiviert und klare<br />
Ziele formuliert. „Ich sehe, dass das Haus<br />
das sehr positiv aufnimmt.“ Der Stellenwert<br />
des Ministeriums sei sehr viel höher<br />
geworden.<br />
Die Spitze des AA hat Steinmeier<br />
schnell und entschlossen umgebaut. Er<br />
installierte Vertraute in allen Schlüsselstellungen,<br />
allen voran seinen politischen<br />
Dauerbegleiter Stephan Steinlein,<br />
der zum Staatssekretär aufstieg. Neben<br />
ihm wurde mit Markus Ederer ein Mann<br />
Staatssekretär, der breite Erfahrung auf<br />
dem so wichtigen Europafeld mitbringt,<br />
er war zuletzt EU-Botschafter in Peking,<br />
ebenso wie Martin Kotthaus, der<br />
nach einer Zeit als Sprecher von Wolfgang<br />
Schäuble ins AA zurückgekehrt ist<br />
und dort die wichtige Europaabteilung<br />
übernommen hat. Mit Ralf Beste holte<br />
sich Steinmeier einen Ex-Spiegel-Redakteur<br />
ins Team, und mit Sawsan Chebli<br />
eine praktizierende Muslimin mit palästinensischen<br />
Wurzeln als seine stellvertretende<br />
Sprecherin.<br />
Um Platz zu machen für den radikalen<br />
Umbau, schob er Staatssekretärin<br />
Emily Haber, eine hochgeachtete Karrierediplomatin,<br />
ab. Sie ist nun Staatssekretärin<br />
im Innenministerium. Die Haber-Personalie<br />
hat ihm nicht nur Freunde<br />
im AA beschert. „Das war kein Geniestreich“,<br />
sagt einer, der ansonsten große<br />
Stücke auf Steinmeier hält.<br />
Was macht diesen Steinmeier, 58 Jahre<br />
alt, in seiner zweiten Amtszeit als Außenminister<br />
aus? „Ein Teamplayer“, meint<br />
Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz<br />
und unter Steinmeier I<br />
AA-Staatssekretär und Botschafter. „Er ist<br />
der beste Zuhörer, den ich je erlebt habe“,<br />
fügt er an und sieht bei ihm den Anspruch,<br />
dass „Diplomatie etwas wert ist, dass Außenpolitik<br />
etwas bewirken kann“.<br />
Auch im diplomatischen Korps<br />
kommt der Chef des AA an. „Der Mann<br />
versteht und kennt, worüber er spricht“,<br />
urteilt ein israelischer Spitzendiplomat.<br />
Und fügt, eben diplomatisch, hinzu: „Wir<br />
waren happy mit Westerwelle, aber wir<br />
sind sehr happy mit Steinmeier.“<br />
EINEN TAG NACH der Reise ins Baltikum<br />
sitzt Steinmeier in seinem Amtszimmer<br />
am Werderschen Markt. Die Sonne<br />
scheint ins Zimmer. Der Raum klassischmodern<br />
eingerichtet, er wirkt nüchtern.<br />
Die Willy-Brandt-Plastik, die vier Jahre<br />
in seinem Fraktionschefbüro im Bundestag<br />
stand, ist wieder an ihrem Platz.<br />
Steinmeier kann vielleicht gut zuhören,<br />
aber über die Rolle seines Amtes<br />
kann er auch ziemlich lange reden.<br />
Die Kurzfassung geht so: Die klassische<br />
Außenpolitik funktioniert in einer sich<br />
wandelnden Welt nicht mehr, in der es<br />
so viele Player gibt. Er nennt die unübersichtlichen<br />
Oppositionsgruppen in Syrien<br />
als Beispiel. Eine „Neuvermessung der<br />
Welt“ müsse her, sagt er, ohne konkrete<br />
Antworten anbieten zu können.<br />
Vor diesem Hintergrund will er der<br />
deutschen Diplomatie Relevanz geben.<br />
Da wird er nachdrücklich. „Ich wollte<br />
mich nicht damit abfinden, dass Außenpolitik<br />
keinen Stellenwert hat.“ Dem<br />
AA will er einen „Selbstüberprüfungsprozess“<br />
verordnen. „Der diplomatische<br />
Werkzeugkasten muss erweitert werden“,<br />
sagt er.<br />
Eine etwas weniger diplomatische<br />
Übersetzung könnte lauten: Raus aus<br />
dem Tunnel.<br />
Steinmeier kann sich auch aufregen.<br />
In der Darstellung von Außenpolitik<br />
ärgert ihn das Gerede über das<br />
Versagen der Diplomatie. Er jedenfalls<br />
will nicht „täglich mit aufgeregtem Ton<br />
daherkommen“.<br />
Und das Kanzleramt? Der Bedeutungsverlust<br />
des Auswärtigen Amtes<br />
lag ja nicht nur an Westerwelle, sondern<br />
auch daran, dass die Diplomatie immer<br />
mehr Chefsache geworden ist, dass sich<br />
die Regierungschefs in Europa ohnehin<br />
ständig sehen.<br />
Beide haben ein Interesse, in diesen<br />
Krisenzeiten die Dinge gemeinsam zu<br />
machen. „Mit Angela Merkel verbindet<br />
mich ein sehr professionelles Arbeitsverhältnis,<br />
in dem man sich vertraut“, sagt<br />
Steinmeier. Merkel geht noch weiter. In<br />
ihrer Regierungserklärung zur Ukraine<br />
dankt sie im Bundestag Steinmeier „in<br />
Ihrer aller Namen“ für seinen „unermüdlichen<br />
Einsatz“. Es ist fast eine Eloge.<br />
Steinmeiers Vorgänger Guido<br />
Westerwelle: „Libyen war der<br />
Tiefpunkt“, sagt ein Diplomat<br />
über dessen Amtszeit<br />
Früher schwebten deutsche Außenminister<br />
im Ansehen immer hoch<br />
über den garstigen Untiefen des politischen<br />
Tagesgeschäfts. Selbst der rüpelige<br />
Joschka Fischer schaffte das. Guido<br />
Westerwelle blieb die Ausnahme. Jetzt<br />
nähert sich auch Steinmeier dem Umfrage-Olymp.<br />
In der Beliebtheit liegt er<br />
neuerdings vor der Kanzlerin. Der ARD-<br />
Deutschlandtrend sah ihn im März bei<br />
74, sie bei 71 Prozent. Ob er sich damit<br />
in eine Gefahrenzone begibt, in der die<br />
Kanzlerin nicht mehr einfach nur zuschaut,<br />
muss sich zeigen. Bisher bekam<br />
es niemandem gut, an Angela Merkel<br />
vorbeizuziehen.<br />
WERNER SONNE<br />
war lange ARD-Korrespondent<br />
in Osteuropa und den<br />
USA. Außenpolitik ist seine<br />
Leidenschaft<br />
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<strong>Cicero</strong> – 4. 2014