08.04.2014 Aufrufe

Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Foto: Sander de Wilde für <strong>Cicero</strong><br />

Herr Oettinger, Sie sind jetzt vier Jahre<br />

in Brüssel. Was machen eigentlich Ihre<br />

Sprachkenntnisse?<br />

Günther Oettinger: Französisch verstehe<br />

ich sehr gut. Smalltalk geht aktiv<br />

auch, aber ich spreche ansonsten hier in<br />

Brüssel mehr Deutsch und Englisch.<br />

Zu Beginn Ihrer Amtszeit gab es einen<br />

Videoclip von einer Rede, die Sie<br />

in einem etwas grobkörnigen Englisch<br />

hielten.<br />

Eine Veranstaltung in Berlin, ein<br />

paar Tage nach meiner Benennung.<br />

Das Video wurde fast so populär wie Edmund<br />

Stoibers Ausführungen zum Bau<br />

des Transrapids in München. Hat es Sie<br />

getroffen, verhohnepiepelt zu werden?<br />

Ich habe neun Jahre Latein gelernt,<br />

dann sechs Jahre Französisch und nur<br />

vier Jahre Englisch. Nach der Schule<br />

habe ich, außer wenn ich Jeans in New<br />

York eingekauft habe, das Englisch nicht<br />

wirklich gebraucht. Wenn Briten oder<br />

Amerikaner nach Stuttgart kamen, hat<br />

man mit Dolmetscher gearbeitet, auch<br />

aus Gründen der Präzision bei Fachbegriffen.<br />

Das heißt: Ich hatte praktisch<br />

40 Jahre kaum Englisch gesprochen.<br />

Und heute?<br />

Man hört, woher ich komme. Na<br />

und? Wir Deutschen haben da eine verklemmte<br />

Position. Ich rede viel mehr<br />

„Hochenglisch“ als ein Franzose. Ein<br />

Franzose würde alles tun, damit er<br />

Französisch sprechen kann. Und wenn<br />

er schon Englisch sprechen muss, nur mit<br />

einem stolzen Akzent.<br />

Als baden-württembergischer Ministerpräsident<br />

wirkten Sie oft angespannt:<br />

Sie rasten von einem Termin zum nächsten,<br />

regierten das Land aus dem Auto<br />

und redeten wie ein Maschinengewehr.<br />

Haben Sie sich in Brüssel entspannt?<br />

Ich bin älter geworden und damit<br />

auch gelassener. Und Sie haben recht:<br />

Der Termindruck war ein Grund für<br />

diese Anspannung. Fragen Sie mal den<br />

Winfried Kretschmann, der springt auch<br />

ganz schön rum.<br />

Den hat aber noch niemand mit einem<br />

Maschinengewehr verglichen. Wie gerieten<br />

Sie damals so unter Druck?<br />

Durch den Zeitablauf. Es war von<br />

Anfang an ein harter Sprint. Die Mitgliederbefragung<br />

in der CDU Ende 2004,<br />

als Annette Schavan und ich zur Wahl<br />

standen. Dann die Arbeit im neuen Amt.<br />

Alle wollten einen Termin: Gewerkschafter,<br />

Unternehmer, Kammerpräsidenten.<br />

Stadtjubiläen, Verbandstage, Parteiveranstaltungen.<br />

Ich war ständig in<br />

Berlin, 2005 die vorgezogene Bundestagswahl,<br />

und 2006 musste ich in den<br />

Landtagswahlkampf.<br />

Ist das nicht erstaunlich? Sie arbeiten<br />

14 Jahre als Chef der Stuttgarter<br />

CDU-Landtagsfraktion darauf hin, Ministerpräsident<br />

zu werden. Sie werden<br />

es endlich, aber es wird ein Albtraum.<br />

Den wirklichen Traumjob bekommen Sie<br />

2009, als Angela Merkel Sie quasi über<br />

Nacht nach Brüssel komplimentiert.<br />

Ich war in Wien, ein Donnerstagnachmittag.<br />

Die Jahrestagung der<br />

deutsch-österreichischen Handelskammer.<br />

Sie hat mich angerufen. Ich habe<br />

meine Lebensgefährtin gefragt, meine<br />

frühere Frau, mit der ich ein sehr gutes<br />

Verhältnis habe, wegen unseres Sohnes.<br />

Um 8 Uhr morgens habe ich Angela Merkel<br />

zugesagt. Ich würde mich mein Leben<br />

lang ärgern, wenn ich es mir nicht<br />

zugetraut hätte.<br />

Günther H. Oettinger<br />

Der Jurist, 60, CDU, ist EU-Kommissar<br />

für Energie. Nach der Europawahl<br />

am 25. Mai entscheidet sich, ob<br />

er in der Kommission bleibt; das<br />

Ressort müsste er nach den<br />

Brüsseler Gepflogenheiten wechseln.<br />

Ein Wahlsieg der Sozialisten könnte<br />

Martin Schulz zum Kommissionspräsidenten<br />

machen; für Oettinger<br />

wäre dann kein Platz mehr.<br />

Bekommt Schulz kein Amt, müsste<br />

Oettinger immer noch von der<br />

Bundeskanzlerin vorgeschlagen<br />

werden. Sie schickte ihn 2009 nach<br />

Brüssel, nachdem er als badenwürttembergischer<br />

Regierungschef<br />

zum Problemfall geworden war.<br />

Heute ist er Merkel dafür dankbar<br />

Sie hat Sie erlöst?<br />

Ich bin ihr dankbar.<br />

Steht ein EU-Kommissar weniger unter<br />

Beschuss als ein Ministerpräsident?<br />

Die Fronten sind nicht so klar wie<br />

in Stuttgart oder Berlin. Wir sind in der<br />

Kommission eine Art Allparteienregierung.<br />

28 Kollegen, davon acht Sozialisten,<br />

sieben Liberale und 13 Konservative<br />

und Christdemokraten.<br />

Dafür konkurrieren Kommission und<br />

Parlament immer stärker um Macht.<br />

Da ist mehr Konkurrenz zwischen<br />

Rat und Parlament, würde ich sagen. Das<br />

Parlament hat schon jetzt bei Gesetzentwürfen,<br />

die von der Kommission kommen,<br />

eine starke Stellung. Vor allem die<br />

jeweiligen Berichterstatter. Da arbeite<br />

ich auch gern mit einem Sozialisten zusammen<br />

oder mit einem Grünen.<br />

Teilen Sie die Kritik, dass Martin Schulz,<br />

der Präsident des Europaparlaments,<br />

sein Amt für den Wahlkampf der Sozialisten<br />

missbraucht?<br />

Den Begriff „missbraucht“ würde<br />

ich nicht nehmen. Dass er das Parlament<br />

gestärkt hat, rechne ich ihm hoch<br />

an. Aber gerade weil der Präsident keine<br />

unbekannte Größe mehr ist, muss er das<br />

Amt abgeben. Der Präsident ist der Präsident<br />

aller Abgeordneten aller Parteien.<br />

Norbert Lammert macht ja auch nicht<br />

den Wahlkampf der CDU.<br />

Warum sind Sie der Meinung, dass die<br />

deutsche Energiewende gebremst werden<br />

muss?<br />

Das deutsche Erneuerbare-Energien-<br />

Gesetz hat in den ersten Jahren glänzend<br />

funktioniert. Aber jetzt führt es zu<br />

Fehlanreizen. Vor allem weil Strom nicht<br />

speicherbar ist – allen Programmen von<br />

Parteien zum Trotz. Der Strom muss in<br />

der gleichen Millisekunde hergestellt und<br />

geliefert werden. Wenn sich kein einziges<br />

Windrad dreht und die Sonne nicht<br />

scheint, haben Sie ein Problem.<br />

Es gibt noch viele konventionelle Kraftwerke.<br />

Außerdem lässt sich Energie<br />

schon lange speichern, indem Wasser<br />

bergauf gepumpt und dann durch eine<br />

Turbine abgelassen wird, sobald Elektrizität<br />

gebraucht wird.<br />

85<br />

<strong>Cicero</strong> – 4. 2014

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!