Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)
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BERLINER REPUBLIK<br />
Reportage<br />
Andi und Peter<br />
gegen Frau Fahimi.<br />
Im Restaurant am<br />
Gendarmenmarkt<br />
bleibt die Stimmung<br />
gegnerisch<br />
Gabriels Generalin<br />
Yasmin Fahimi, 46, war<br />
bisher Abteilungsleiterin bei<br />
der Gewerkschaft IG BCE.<br />
Damit ist die Chemikerin<br />
eine Quereinsteigerin auf<br />
der Berliner Bühne und erst<br />
recht in der SPD-Zentrale.<br />
Dem unter chronischer<br />
Betriebsblindheit leidenden<br />
Willy-Brandt-Haus könnte<br />
ein Blick von außen allerdings<br />
helfen<br />
Das erste Treffen ist ein Reinfall.<br />
Es soll eigentlich ein lockeres<br />
Kennenlernen werden,<br />
ein später Lunch im<br />
Refugium am Berliner Gendarmenmarkt.<br />
Als die drei in dem Restaurant<br />
zum ersten Mal zusammen speisen,<br />
ist es höchste Zeit. Ihre drei Parteien<br />
regieren schon seit über zwei Monaten<br />
gemeinsam. Sie sind die Generalsekretäre,<br />
alle neu im Amt: Peter Tauber von<br />
der CDU, Yasmin Fahimi von der SPD<br />
und Andreas Scheuer von der CSU.<br />
Mit den drei kann es zäh werden,<br />
das geht aus den Berichten der Anwesenden<br />
über das Treffen eindeutig hervor.<br />
Die Stimmung bleibt gegnerisch,<br />
trotz aller Vorsätze. Scheuer will sich<br />
leutselig geben, redet und redet. Fahimi<br />
reagiert einsilbig, wundert sich offensichtlich,<br />
dass sie bekehrt werden soll.<br />
Die Männer sehen in ihr wiederum eine<br />
verkniffene Linke ohne Prokura; unsicher,<br />
wie weit sie auf die Kollegen zugehen<br />
darf. SPD-Kader, humorfern<br />
und misstrauisch – so wirkt sie auf die<br />
anderen.<br />
Tauber und Scheuer sind beide<br />
39 Jahre alt, Fahimi ist 46. Die Männer<br />
kennen sich aus der Jungen Union<br />
und arbeiten schon lange in der Bundestagsfraktion<br />
zusammen. Seit sie Generalsekretäre<br />
sind, telefonieren sie jeden<br />
Sonntag miteinander, um die beginnende<br />
Woche abzustimmen. „Der Andi“ und<br />
„der Peter“ duzen einander. Fahimi, die<br />
nicht Mitglied im Parlament ist, bleibt<br />
beim „Sie“. Sie muss sich als Außenseiterin<br />
fühlen.<br />
Auch wenn sie sich selbst nicht als<br />
Traumformation sehen: Tauber, Fahimi,<br />
Scheuer – sie bilden eine faszinierende<br />
Versuchsanordnung und eine wichtige<br />
für diese Regierung. Die Konstellation<br />
bietet Hinweise darauf, wo die drei Parteien<br />
hinwollen.<br />
Generalsekretäre von Regierungsparteien<br />
haben eine Doppelrolle. Sie<br />
müssen die Koalition stabilisieren. Aber<br />
sie müssen zugleich die Partei profilieren.<br />
Der Job verlangt es, auf die nächste<br />
Wahl hinzuarbeiten. Die Koalition muss<br />
vorzeigbar sein, sie darf nicht untergehen.<br />
Aber erst recht darf die eigene Partei<br />
nicht in der Regierung untergehen, so<br />
wie es SPD und FDP in ihren Bündnissen<br />
mit Angela Merkel widerfuhr. Die CSU<br />
wiederum muss Obacht geben, dass sie<br />
neben der großen Unionsschwester nicht<br />
übersehen wird.<br />
ASCHERMITTWOCH, Passau, Dreiländerhalle.<br />
Andreas Scheuer schreit, schmettert,<br />
knarzt. Alljährlich trifft sich hier<br />
die CSU, um in der Bundespolitik einen<br />
krachledernen Akzent zu setzen. Traditionsgemäß<br />
hält der Generalsekretär die<br />
letzte Rede. Für Scheuer ist es eine Premiere,<br />
aber im wahrsten Sinne ein Heimspiel:<br />
Aus Passau stammt er, hier lebt er<br />
mit Frau und Tochter.<br />
„Wer schmarotzt, braucht gar nicht<br />
erst zu kommen“, ruft er in den Saal,<br />
er meint die zuwandernden Bulgaren<br />
und Rumänen. „Der deutsche Pass<br />
ist kein Ramschartikel“, bellt er angesichts<br />
der Doppelpass-Initiative einiger<br />
SPD-Ministerpräsidenten.<br />
Auch später, als er übers Land zieht<br />
und in Dorfgasthöfen bei den traditionellen<br />
CSU-Fischessen vorbeischaut, schont<br />
er die Sozialdemokraten nicht. Die Doppelpass-Initiative:<br />
„versuchter Vertragsbruch“.<br />
Der Fall Edathy: „absoluter<br />
Fotos: Steffi Loos/CommonLens [M], Michael Gottschalk/Photothek via Getty Images [M], Alicja Gola Matt/Glänzend GbR [M] (Seiten 38 bis 39), Axel Schmidt/CommonLens/DDP Images [M]<br />
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<strong>Cicero</strong> – 4. 2014