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Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)

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BERLINER REPUBLIK<br />

Reportage<br />

Ein Rieslinggeruch<br />

steht in der Halle,<br />

die Waschbrett<br />

Wuzzys trompeten.<br />

Dann redet Tauber<br />

derart ernst, dass<br />

es völlig still wird<br />

Merkels General<br />

Peter Tauber zählt sich zur<br />

„Generation Golf“. Dieses<br />

Buch liebt er, und wie das<br />

VW-Modell kam er 1974 zur<br />

Welt. Der Hesse machte als<br />

Jungpolitiker steile Karriere<br />

bis zum JU-Landeschef. Wurde<br />

über Sport im Kaiserreich<br />

promoviert, joggt oft ins<br />

Büro und fährt viel Rad. Seit<br />

2009 ist er im Bundestag<br />

Jedes Mal, wenn sein – in Schweinsleder<br />

gebundenes – Smartphone Pling<br />

macht, wird die neue SMS sofort inhaliert.<br />

Er twittert morgens um sieben auf<br />

dem Weg ins Büro, seinen Blog schreibt<br />

er selbst. Mit niemandem müsse er seine<br />

Kommentare absprechen, „ich bin zu<br />

99 Prozent schwarz und muss als Generalsekretär<br />

meine Partei sichtbar machen“.<br />

Bei pluragraph.de misst er seine<br />

Reichweite. „20 000 Leute erreiche ich direkt,<br />

damit bin ich unter den Top Ten der<br />

Union“, sagt er zufrieden. Über die CDU-<br />

Website kämen noch mal 70 000 hinzu.<br />

Er möchte auf neuen Wegen neue<br />

Leute für die CDU gewinnen. Ein Blick<br />

in die Mitgliedskartei zeigt dem jüngsten<br />

Generalsekretär der Parteigeschichte,<br />

woran es mangelt. „Wir haben zu wenig<br />

Frauen, zu wenig Junge und zu wenig Zuwanderer“,<br />

sagt er. Nach ihnen soll Tauber<br />

in der weiten Netzwelt fischen, dafür<br />

hat Merkel ihn sich ausgesucht.<br />

Als 2012 die Piraten erfolgreich<br />

sind, gründet Tauber mit ein paar Dutzend<br />

Gleichgesinnten C-Netz. Mit diesem<br />

Verein möchte er christdemokratische<br />

Positionen ins Internet weben. Merkel ist<br />

angetan. Sie bittet ihn auf einen Kaffee<br />

ins Adenauer-Haus. Als er nach der Bundestagswahl<br />

Generalsekretär wird, vereinbart<br />

sie mit ihm eine „Agenda“, wie<br />

die Partei modernisiert werden soll. Verglichen<br />

mit Fahimi und Scheuer sei seine<br />

Aufgabe die leichteste, sagt Tauber. Von<br />

den anderen beiden werde vor allem erwartet,<br />

dass ihre Partei überhaupt vorkommt.<br />

Er könne sich hingegen auf den<br />

strukturellen Umbau konzentrieren.<br />

Um Merkels Wirken an viele Netzaffine<br />

zu verkaufen, muss Tauber passende<br />

Schlagwörter und Symbolbilder platzieren.<br />

Noch sei es stets gelungen, die Anhänger<br />

konventionell zu motivieren,<br />

sagt Tauber. „Unsere Kampagne-Fähigkeit<br />

war voll gegeben. Dieses Road-Modell<br />

funktioniert aber nicht mehr lange.“<br />

Er will die CDU so reformieren, dass sie<br />

nicht zur Funktionärspartei verkommt.<br />

ASCHERMITTWOCH, Boppard am Rhein,<br />

Stadthalle. Fast unbemerkt von den<br />

überwiegend grauhaarigen Mitgliedern<br />

betritt Tauber den Raum. Erstmals will<br />

die CDU Rheinland-Pfalz einen Politischen<br />

Aschermittwoch zünden – mit dem<br />

neuen Generalsekretär als Hauptattraktion.<br />

Hier wird Angriff erwartet.<br />

Im Saal riecht es süßlich wie der<br />

halbtrockene Riesling auf den Tischen.<br />

Hunderte CDU-Mitglieder klatschen im<br />

Takt zu den „Waschbrett Wuzzys“, einer<br />

Combo alter Männer, die „When the<br />

Saints Go Marching In“ trompeten. Die<br />

Landesvorsitzende Julia Klöckner wiegt<br />

sich zur Musik durch die Menge, lacht,<br />

umarmt und verteilt Küsschen. Peter<br />

Tauber läuft neben ihr, hin und wieder<br />

hebt er scheu die rechte Hand.<br />

Klöckner schlägt alle Saiten an, die<br />

ihr Parteivolk jubeln lassen: Rot-Grün<br />

sei schlimm; Koma-Saufen schade der<br />

Jugend, und hier im Hunsrück brauche<br />

es endlich die Mittelrheinbrücke.<br />

Tauber klingt leise, ernst. „Wir müssen<br />

uns gewahr werden, dass viele Antworten<br />

von 1980 nicht mehr im Jahr<br />

2014 richtig sind“, sagt er dem fröhlichen<br />

Aschermittwochspublikum. Wehrpflicht,<br />

Kernenergie, Familienbild sind<br />

Felder, die er schon neu bestellt sieht.<br />

Aber auch das C sei heute mehr als nur<br />

das Christliche in der Union, es stehe allgemein<br />

für „die Würde des Menschen“,<br />

Foto: Fabrizio Bensch/Reuters/Corbis [M]; Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators<br />

44<br />

<strong>Cicero</strong> – 4. 2014

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