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Cicero Judenfeind Luther (Vorschau)

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womit die CDU auch Nichtchristen erreiche.<br />

Kaum jemand im Saal wagt zu husten,<br />

so still ist es.<br />

Wenigstens die AfD geht er brachial<br />

an. „Das ist eine Partei von alten Männern,<br />

die nicht Sorge um unser Land<br />

umtreibt, sondern nur die Angst um den<br />

persönlichen materiellen Verlust.“ Da<br />

klatschen alle wie befreit. Endlich zeigt<br />

der Neue, dass er auch den Hau-Drauf-<br />

Generalsekretär kann.<br />

Der Berliner Betrieb rätselt noch,<br />

versucht Tauber einzusortieren. Seit er<br />

sich der Öffentlichkeit als „ledig“ vorgestellt<br />

hat, wird in der Partei und besonders<br />

klug tuend unter Hauptstadtjournalisten<br />

geraunt: Der ist doch schwul.<br />

Tauber kratzt das nicht. Seine Freundin<br />

ist Onkologin, sie hat in Medizin promoviert<br />

wie er in Geschichte. Mit ihr teilt er<br />

sich eine Hinterhauswohnung in Berlins<br />

Ur-Arbeiterbezirk. „Mit dem schwarzen<br />

Peter im roten Wedding“ – wieder so ein<br />

Gegensatz, der ihm Spaß macht.<br />

Tauber ist in einem sozialliberalen<br />

Elternhaus aufgewachsen. Der Vater, ein<br />

gut verdienender Anwalt, war einst „wegen<br />

Willy“ in die SPD ein- und wegen<br />

des Umgangs mit Schmidt wieder ausgetreten.<br />

Die Mutter wählte FDP. Teenie<br />

Peter aber gründete im hessischen Heimatstädtchen<br />

Wächtersbach die Junge<br />

Union, weil der SPD-Bürgermeister seinen<br />

Wunsch nach einem Bolzplatz nicht<br />

ernst nahm.<br />

Als Chef der hessischen Jungen<br />

Union tat er 2005 kund, dass er die SPD<br />

seit jeher für den Hauptgegner der CDU<br />

hält und noch dazu Seehofer für sozialdemokratisch.<br />

Nun muss er das Bündnis mit<br />

SPD und der Seehofer-CSU rechtfertigen.<br />

Und er muss verhindern, dass<br />

Scheuer und Fahimi verrückt spielen.<br />

Aber alle Gegensätze bekommt man<br />

nicht zusammen. Han Solo hätte nie<br />

einen doppelten Windsor geknotet im<br />

Krieg der Sterne. Und welcher Papst hört<br />

schon Punk?<br />

CHRISTOPH SEILS leitet <strong>Cicero</strong> Online.<br />

Yasmin Fahimi hätte er 1986 in Hannover auf<br />

Demos begegnen können. WULF SCHMIESE<br />

ist ZDF-Moderator. Tauber fiel ihm 2005 bei<br />

einer Veranstaltung der Jungen Union auf,<br />

wo er sogar Merkel kritisierte. ANDREAS<br />

THEYSSEN, Autor in Berlin, kannte Andreas<br />

Scheuer schon als feurigen Redner von<br />

Veran staltungen in Berlin. Als CSU-General<br />

legt er noch drei Schippen drauf<br />

FRAU FRIED FRAGT SICH …<br />

… was an Gutmenschen schlecht sein soll<br />

Endlich habe ich es schriftlich: Ich bin ein Gutmensch. Soll heißen,<br />

jemand, der naiv genug ist, sich nicht mit der Realität abzufinden.<br />

Damit zum Beispiel, dass der Gemeinderat meines Heimatdorfs<br />

beschlossen hatte, sich nicht von der Ehrenbürgerwürde für<br />

Hindenburg und Hitler zu distanzieren. Vom skrupellosen Kriegstreiber<br />

und Totengräber der Demokratie sowie vom schlimmsten Massenmörder<br />

der Menschheitsgeschichte. Offenbar wird erwartet, dass<br />

man eine solche Meldung liest, die Zeitung zusammenfaltet und zur<br />

Tagesordnung übergeht. Weil mein Mann und ich es wagten, auf die<br />

Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs öffentlich hinzuweisen, werden<br />

wir in Schmähbriefen aller Art als Wichtigtuer, unerwünschte<br />

Fremde und ( nicht zum ersten Mal ) als Gutmenschen beschimpft –<br />

ein zynischer Begriff, der aber weiter Karriere macht.<br />

In perfider Verdrehung werden damit diejenigen diffamiert, die<br />

sich auch mal für etwas anderes einsetzen als ihr persönliches Wohl,<br />

seien es die Grundwerte unserer Demokratie, eine menschenwürdige<br />

Behandlung von Flüchtlingen oder mehr soziale Gerechtigkeit.<br />

Sie werden gern als hoffnungslose Romantiker hingestellt, die leider<br />

nicht begriffen haben, dass der Markt sowieso alles regelt, dass gesellschaftliches<br />

Engagement Wichtigtuerei ist und Menschenrechte<br />

sowieso ein Luxus, der nur das Wirtschaftswachstum bremst.<br />

Obwohl wahrscheinlich einst die Nazis den Begriff erfunden haben,<br />

um die Gegner der Euthanasie um Graf von Galen verächtlich<br />

zu machen, wird der Gutmensch bis heute hemmungslos als Waffe<br />

im politischen Kampf eingesetzt, und zwar meist von den Bequemen,<br />

die vom Fernsehsessel aus stänkern und sich in satter Selbstgerechtigkeit<br />

über jene erheben, die sich fürs Gemeinwohl starkmachen. Cool<br />

ist, wem Ungerechtigkeit wurst ist, wer ungerührt zusehen kann, wie<br />

Menschen leiden und unsere Werte den Bach runtergehen. Noch<br />

cooler ist es, auf diejenigen einzuschlagen, die sich dagegen wehren.<br />

Ich habe beschlossen, den Titel Gutmensch als Auszeichnung<br />

zu betrachten. Nicht, weil ich mich für einen guten Menschen halte,<br />

weiß Gott nicht. Aber lieber lasse ich mich als naive, bescheuerte<br />

Sozialromantikerin belächeln, als zur Zynikerin zu werden.<br />

AMELIE FRIED ist Fernsehmoderatorin und Bestsellerautorin.<br />

Für <strong>Cicero</strong> schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben<br />

sonst noch an Fragen aufwirft<br />

45<br />

<strong>Cicero</strong> – 4. 2014

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