Das Leben, der Tod und dazwischen der Aldi - Andreas Donder ...
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UND STERBE VOR ANGST<br />
Wir haben ein kleines Zimmer im ersten Stock eines<br />
öffentlichen Gebäudes bezogen. Es ist riesig mit<br />
Supermarkt, Turnhalle <strong>und</strong> Geschäften. Und nachts<br />
ist es menschenleer. Um uns die Geräusche des<br />
Dschungels.<br />
Direkt neben dem Gebäude liegt ein Friedhof.<br />
Dutzende H<strong>und</strong>e jaulen <strong>und</strong> kläffen die ganze Nacht.<br />
Und ich zittere vor Angst. Vor dem Bösen. Zu allem<br />
Übel habe ich vor einigen Tagen ein Buch gelesen,<br />
das meine Phantasie negativ anpeitscht: Footprints of<br />
the Devil. Dabei hatte ich es zur Stabilisierung<br />
gedacht - eine kuriose Wahl.<br />
Ich hatte eigentlich ein an<strong>der</strong>es Buch mit heiligen<br />
religiösen Texten in <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> eine innere<br />
Stimme drängte mich - "ja, ja, kaufe es". Aber diese<br />
inneren Stimmen fand ich viel unheimlicher <strong>und</strong> habe<br />
statt dessen das an<strong>der</strong>e schwarze "schweigende<br />
Buch" gewählt.<br />
Ich mache kein Auge zu. Vor Angst. Morgens ist<br />
meine Kehle wie zugeschnürt. Ich brauche eine<br />
St<strong>und</strong>e um ein Frühstücksei zu essen. Die Sonne, die<br />
Gerüche, die durchwachten Nächte haben mich völlig<br />
aufgeweicht. Werde ich verrückt? Ich brauche Jahre,<br />
um alles zu integrieren <strong>und</strong> mir zu erklären. Es dauert<br />
ein Jahr, bis sich eine körperlich, geistige Stabilität<br />
wie<strong>der</strong> einstellt.<br />
Ich sehne mich nach vertrauter Umgebung. Nach<br />
westlicher Welt. Hier auf dem indischen Subkontinent<br />
herrscht ein an<strong>der</strong>er Geist, wirken an<strong>der</strong>e<br />
Naturgesetze. Auch hier im christlichen Goa. Mir ist<br />
unheimlich. Ich fürchte mich. Um meine Seele.<br />
<strong>Tod</strong>esangst ist nichts dagegen. Ich hatte schon<br />
immer eine komplexere <strong>Tod</strong>esvorstellung. Als<br />
Schüler hatte ich das Tibetanische Totenbuch<br />
gelesen. Soweit ich zurückdenken kann, war <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />
für mich schon immer die Bezeichnung für einen<br />
Wendepunkt von einer Darstellungsform in eine<br />
an<strong>der</strong>e. Ich habe keine Angst, mein <strong>Leben</strong> zu<br />
verlieren. Ich zitterte um die Freiheit meiner Seele.<br />
Der Körper kann ruhig sterben, die Seele stirbt<br />
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