Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - Theologische ...
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D O K U M E N T A T I O N<br />
mehrheitlich auch bei den Abgeordneten<br />
und Sachverständigen abgezeichnet, sagte<br />
er im Anschluss <strong>an</strong> die Anhörung. „Es<br />
müsste einen erheblichen Gesinnungsw<strong>an</strong>del<br />
geben, wenn das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz<br />
geändert und die <strong>PID</strong> zugelassen<br />
werden sollten.“ Der Status des<br />
Embryos und seine Schutzwürdigkeit<br />
müssten jedoch noch grundlegend und<br />
präzise geklärt werden.<br />
Für Benda liegt die rechtliche Situation<br />
auf der H<strong>an</strong>d: „Die Frage, von welchem<br />
Zeitpunkt <strong>an</strong> menschliches Leben<br />
unter dem Schutz der Menschenwürde<br />
steht, ist verfassungsrechtlich dahin zu<br />
be<strong>an</strong>tworten, dass dies vom Zeitpunkt<br />
der Befruchtung – in vivo oder in vitro –<br />
der Fall ist“, sagte er. Nach der Entscheidung<br />
des Ersten Senats von 1975 komme<br />
jedem menschlichen Leben Menschenwürde<br />
zu. Dabei sei es unwesentlich, ob<br />
sich der Träger dieser bewusst sei<br />
(BVerfGE 39, 1). „Abstufungen der<br />
Menschenwürde gibt es nicht“, erklärte<br />
Benda. „Die <strong>PID</strong> verbietet sich daher.“<br />
Dieser Ansicht ist auch Prof. Dr.<br />
Wolfram Höfling, Staatsrechtler <strong>an</strong> der<br />
Universität Köln. Ein explizites Verbot<br />
der <strong>PID</strong> könnte verfassungsrechtlich<br />
gerechtfertigt werden, meinte er; eine<br />
Klarstellung durch den Gesetzgeber<br />
müsste aber dennoch erfolgen. Als Argumente<br />
gegen die <strong>PID</strong> führte er das<br />
<strong>Embryonen</strong>schutzgesetz <strong>an</strong>. Darin werde<br />
nach §2 Abs.1 bestraft, wer einen<br />
extrakorporal erzeugten Embryo zu einem<br />
nicht seiner Erhaltung dienenden<br />
Zweck verwendet. Als Embryo gelte<br />
nach §8 Abs.12 auch jede einem Embryo<br />
entnommene totipotente Zelle.<br />
„Untersucht m<strong>an</strong> die Stellungnahmen<br />
der Vertreter, die die <strong>PID</strong> und die Verwerfung<br />
eines geschädigten Embryos für<br />
strafbar halten, fragt m<strong>an</strong> vergeblich<br />
nach einer haltbaren juristischen Begründung“,<br />
meint hingegen Prof. Dr.<br />
Monika Frommel, Direktorin des Instituts<br />
für S<strong>an</strong>ktionsrecht und Kriminologie<br />
der Universität Kiel. „De lege lata ist die<br />
<strong>PID</strong> unter engen Voraussetzungen in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d erlaubt.“ Als Rechtfertigungsgründe<br />
nennt Frommel die spezielle<br />
medizinische Situation sowie einen allgemeinen<br />
Notst<strong>an</strong>d. Dieser könne entstehen,<br />
da eine risikoreiche Impl<strong>an</strong>tation<br />
die körperliche und seelische Gesundheit<br />
der Patientin schädige. Der Arzt<br />
dürfe deshalb nach § 34 StGB eine Güterabwägung<br />
treffen und die Gesundheit<br />
der Frau als das höhere Rechtsgut zulasten<br />
des <strong>Embryonen</strong>schutzes retten.<br />
Für ethisch vertretbar hält Dr.Viktoria<br />
Stein-Hobohm vom Justizministerium<br />
Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz die <strong>PID</strong>, wenn diese<br />
auf Hochrisikopaare begrenzt wird.<br />
Zu diesem Ergebnis kommt auch der<br />
Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer.<br />
Er appelliert deshalb <strong>an</strong><br />
den Gesetzgeber, die Rechtslage zu<br />
klären. „Sollte die <strong>PID</strong> erlaubt werden,<br />
ist die Indikation in jedem Einzelfall zu<br />
prüfen“, ergänzte Hoppe. Eine Festlegung<br />
auf bestimmte Diagnosen verbiete<br />
sich, um eine regelhafte Anwendung der<br />
<strong>PID</strong> in solchen Fällen zu vermeiden. Es<br />
soll lediglich der Zust<strong>an</strong>d einer Erkr<strong>an</strong>kung<br />
beschrieben werden. Gegen die<br />
Auflistung der Erkr<strong>an</strong>kungen mit einer<br />
„Generalklausel“ wendet sich Benda.<br />
Dies widerspräche der vom Bundesverfassungsgericht<br />
entwickelten Wesentlichkeitstheorie.<br />
D<strong>an</strong>ach müssen wesentliche<br />
Entscheidungen vom Gesetzgeber<br />
selbst getroffen werden und dürfen nicht<br />
<strong>an</strong> <strong>an</strong>dere Entscheidungsgegner (<strong>an</strong> die<br />
Eltern, den Arzt und die Ethikkommission)<br />
delegiert werden. Dr. med. Eva A. Richter<br />
Heft 7, 15. Februar 2002<br />
Eine Sternstunde des deutschen Parlamentarismus<br />
sei die Debatte um die<br />
<strong>Embryonen</strong>forschung im Bundestag<br />
gewesen – so das Urteil zahlloser Kommentatoren.<br />
Ohne Polemik und Fraktionszw<strong>an</strong>g,<br />
sachlich und ernst seien die<br />
Abgeordneten ihrem Auftrag nachgekommen.<br />
Eines wird dabei übersehen: Wieder<br />
hat die Politik nicht den Mut aufgebracht,<br />
zu einer klaren Entscheidung zu<br />
kommen, wieder einmal hat sie ein entschiedenes<br />
„Jein“ zust<strong>an</strong>de gebracht.<br />
Die Meinungsverschiedenheiten über<br />
den genauen Wortlaut des nun fälligen<br />
Gesetzes zeigen einmal mehr, dass Politik<br />
hierzul<strong>an</strong>de nicht mehr die Kunst<br />
des Machbaren bedeutet, sondern vielmehr<br />
die Kunst, jedes größere Problem<br />
ungelöst vor sich herzuschieben.<br />
Die Nicht-Entscheidung des Bundestages<br />
zur <strong>Embryonen</strong>forschung ist<br />
Deutsche (Gesundheits-)Politik<br />
Ein klares Jein<br />
nur ein Beispiel für die lähmende Unentschlossenheit<br />
der Politik. Wohin<br />
m<strong>an</strong> blickt in der Gesundheitspolitik –<br />
überall herrscht Stillst<strong>an</strong>d. Wem k<strong>an</strong>n<br />
m<strong>an</strong> noch plausibel vermitteln, dass es<br />
über eine schier endlose Zeit hinweg<br />
nicht möglich ist, die Medizinerausbildung<br />
zu reformieren Wer –<br />
außer einer H<strong>an</strong>d voll Experten – ist<br />
noch in der Lage, innerhalb eines Kr<strong>an</strong>kenversicherungssystems,<br />
das dringend<br />
reformbedürftig ist, aber seit Jahrzehnten<br />
Opfer einer detailversessenen Regelungswut<br />
ist, den Überblick zu bewahren<br />
Wie immer m<strong>an</strong> zur Rezertifizierung<br />
der ärztlichen Approbation<br />
stehen mag – fast unerträglich ist die<br />
Vorstellung, dass dieses Thema in den<br />
nächsten zehn Jahren l<strong>an</strong>dauf, l<strong>an</strong>dab<br />
in diversen Ländergremien beh<strong>an</strong>delt<br />
wird, ohne dass eine klare Entscheidung<br />
fällt. Das föderale System, für<br />
dessen Etablierung es einmal gute<br />
Gründe gab, dient inzwischen dazu, jeden<br />
Reform<strong>an</strong>satz, der den Abstimmungsprozess<br />
auf Bundesebene überst<strong>an</strong>den<br />
hat, aus politischem Kalkül<br />
oder Koalitionsräson zunichte zu machen.<br />
(Gesundheits-)Politiker müssen entscheiden,<br />
und sie müssen die Ver<strong>an</strong>twortung<br />
dafür übernehmen. Politik<br />
k<strong>an</strong>n nicht heißen, es jedem recht machen<br />
zu wollen und jedem größeren<br />
Problem eleg<strong>an</strong>t aus dem Weg zu gehen.Aber<br />
noch herrscht die Devise „im<br />
Großen kleckern, im Kleinen klotzen“<br />
vor. Und so freuen wir uns auf die Gesetzesinitiative<br />
der Bundesregierung,<br />
mit der Jugendlichen unter 16 Jahren<br />
mithilfe einer Chipkarte die Benutzung<br />
von Zigarettenautomaten verwehrt<br />
werden soll. In welcher Welt leben die<br />
Politiker<br />
Thomas Gerst<br />
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